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Berliner Wissenschaftler untersuchen Methoden zur Asteroiden-Abwehr - Ernstfall 2036.  

Berlin - Apophis ist der altägyptische Gott des Chaos und der Zerstörung. Wie passend, dass ein 300-Meter-Asteroid, der auf die Erde zu krachen droht, denselben Namen trägt. Am 13. April 2036 könnte es so weit sein. Aber Wissenschaftler aus Berlin wollen das verhindern.

Alan Harris, 59, weiß schon heute, wie er Freitag, den 13. April 2029 verbringt. "Ich sitze von morgens bis abends vor einem Teleskop und beobachte Apophis", sagt der Astrophysiker vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin. Das hat seinen Grund. Apophis, ein Asteroid mit einem Durchmesser von 300 Metern, schrammt an dem Tag um Haaresbreite an der Erde vorbei. "Mit nur 30000 Kilometern Abstand", sagt Harris, "das ist niedriger als die Umlaufbahnen von Kommunikationssatelliten." Bei klarem Himmel könne das Objekt vermutlich mit einem Fernglas beobachtet werden.

Erdanziehungskraft würde Flugbahn auf fatale Weise verändern

Apophis wird die Erde 2029 verschonen, sagt Harris. Sieben Jahre später, wieder am 13. April, aber immerhin nicht an einem Freitag, taucht er erneut in Erdnähe auf. Dann könnte es kritisch werden. Wie kritisch, das hängt von einem 600 bis 800 Meter großen Bereich des Alls in Erdnähe ab. "Wir nennen dies ein Schlüsselloch", sagt Harris. Falls Apophis an jenem 13. April im Jahre 2029 durch diese Passage rast, ist die Katastrophe nahezu unausweichlich.

Denn die Erdanziehungskraft würde die Flugbahn auf fatale Weise verändern - und sieben Jahre später käme es zum großen Knall. Im Augenblick liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Apophis die Erde rammt, bei 1 zu 250 000 - und damit verschwindend gering. Zum Vergleich: Bei einem Sechser im Lotto spricht man von einer Chance von 1 zu 14 Millionen.

Aber: "Asteroiden halten sich nicht an Statistiken", sagt Harris. Ende dieses Jahres und Anfang 2013 kommt der Felsbrocken in Reichweite irdischer Teleskope und Radarstationen. Dann erhalten die Wissenschaftler die dringend benötigten Daten, die mehr Aufschluss über Apophis geben.

Sprengkraft von 250 000 Hiroshima-Bomben

Der pockennarbige Fels in Form einer überdimensionalen Kartoffel ist eines von etwa 8000 sogenannter NEO (Near Earth Objects), die registriert sind. Etwa tausend von ihnen haben einen Durchmesser von mehr als einem Kilometer und sind wahre Killer. Wer wissen will, welche zerstörerische Wucht die Monster besitzen, sollte das Nördlinger Ries, an der Grenze zwischen Schwaben und Baden, besuchen. Es ist eine der weltweit bekanntesten Einschlagstellen. Vor 15 Millionen Jahren krachte dort ein tausend Meter dicker Kaventsmann auf die Erde. Mit einer Geschwindigkeit von 40 000 Kilometern in der Stunde bohrte sich der Feuerball in den Boden.

Das Geschoss aus dem All entwickelte eine Sprengkraft von 250 000 Hiroshima-Bomben. Rasch wuchs der Krater auf 25 Kilometer Durchmesser an. Etwa 300 Milliarden Tonnen Gestein katapultierte der Einschlag in die Höhe, die Trümmer erreichten das heutige Österreich und die Schweiz. Ein mehrere Tausende Grad heißer Glut- und Säureregen vernichtete alles Leben. Ein solcher Impact, wie Experten dieses Szenario auch nennen, würde heute Millionen Menschenleben kosten und große Teile Mitteleuropas unbewohnbar machen.

Was kann man dagegen tun? Einige Forscher wollen die Unholde aus dem Universum mit Atomraketen sprengen. Harris hält davon gar nichts. So könnten viele kleine Bruchstücke entstehen, die zur Erde rasen.

Kommt es zum Ernstfall, gibt es keine zweite Chance

Der Physiker schlägt vor, Asteroiden wie Apophis von ihrer Bahn abzulenken. "Trifft man das Objekt früh genug, reicht ein kleiner Rempler, um es vom Kurs abzulenken", sagt er. Ob das funktioniert, will Harris mit seinen Kollegen in den nächsten dreieinhalb Jahren im sogenannten NEO Shield-Projekt untersuchen.

Die EU-Kommission finanziert die Studie mit vier Millionen Euro. Weitere 1,8 Millionen Euro steuern die 13 Partner bei, unter anderem sind Forschungsinstitute und Hochschulen aus England, Frankreich und Spanien sowie der Astrium-Konzern dabei. Unter Federführung des Berliner Instituts geht es darum, Abwehrmaßnahmen zu analysieren. Die zentralen Fragen: Wie ist die Oberfläche beschaffen? Wie ist die Struktur des Gesteins? Wie verläuft die Flugbahn? Ohne Kenntnis solcher Informationen könnte ein Rettungseinsatz im All scheitern. Kommt es zum Ernstfall, gibt es keine zweite Chance. Im Labor wollen die Wissenschaftler im kleinen Maßstab eine Kollision nachstellen, indem sie Materialien beschießen, die denen von Asteroiden ähneln. Der Computer rechnet hoch, wie sich die großen Gesteinstrümmer verhalten, wenn sie von einer Sonde gerammt werden.

Nach Abschluss der Studie soll die Politik eine Empfehlung der Wissenschaftler erhalten. "Als nächster Schritt müsste eine Demonstrationsmission folgen, die wirklich einen Asteroiden ins Visier nimmt." Bis zum Jahr 2020 ließe sich das realisieren. Vorausgesetzt, das Geld dafür wird aufgetrieben.

Wie ein Konzept aussehen könnte, dass Apophis den Schrecken nimmt, zeigt das Don-Quijote-Projekt der europäischen Raumfahrtbehörde Esa, das jedoch nur auf dem Papier existiert. Dazu fliegen zwei Raumsonden zeitversetzt das Ziel an. "Sancho" (im Roman von Cervantes der treue Gefährte des edlen Ritters) beobachtet und vermisst einen Asteroiden. "Hidalgo" (auf deutsch: Edelmann) soll ihn rammen.

"Auch wenn Apophis 2036 die Erde verschont, was wir alle hoffen, bedeutet das leider gar nichts", sagt Harris. "Irgendwann entdecken wir einen wirklich gefährlichen Brocken." Das sei nur eine Frage der Zeit. Wir müssen also weiter zittern.