Entspannt und glücklich: Cro 2022 Foto: Universal//Sebastian Schuster & Finn Beek

Auf seinem neuen Album „11:11“, das an diesem Freitag erscheint, klingt der Rapper entspannt, wolkig, leicht berauscht, inhaltlich unauffällig – und eines der besten Lieder, die er je geschrieben hat, ist auch mit drauf.

Unbeschwert war dieser Sommer nicht wirklich. Zwischen Angriffskrieg und Militärmanövern vor Taiwan, zwischen Wespenplage und drohendem Coronaherbst, zwischen Hitzewelle und Affenpocken scheinen Unschuld und Unbeschwertheit in noch unerreichbarere Ferne gerückt als eh schon. Und das Bier wird auch immer teurer.

Wenn man den Sommer 2022 aber durch die rosarote Brille von Cro betrachtet, sieht das alles ganz anders aus. Der veröffentlicht keine eineinhalb Jahre nach der experimentellen Selbstfindung „Trip“ mit „11:11“ relativ überraschend ein neues Album. Darauf klingt er zunächst mal, klar, wie Cro. Die Stimme, die Rhythmik, die wolkige Atmosphäre, die frickeligen Beats kennt man ja mittlerweile. Trademark-Sound sagen die Profis dazu.

Evolution gibt es dennoch. Homöopathisch. Was auf dem Doppelalbum „Trip“ trotz vieler guter Ansätze noch unausgegoren auf zwei Seiten aufgeteilt war, fließt auf „11:11“ deutlich besser zusammen. Organischer, wie man so schön sagt, aber auch weniger mutig. Cro trägt seine Raop-Vergangenheit in die Räume seiner Villa auf Bali, lässt sie in Sonne, Meeresbrise und Cocktails mit Schirmchen baden und dann mit ihm am Steuer weiterziehen.

Alles erreicht und frei

Besonders deutlich wird das in „Freiheit“, einem der besten Songs, die er je geschrieben hat. Amplifiziert von einer schmachtenden Siebziger-Gitarre singt er von sich und von der Eroberung seines eigenen Paradieses – „ich hab alles erreicht, ich bin frei, aber irgendwie klein“.

Das ist ein Freischwimmen von Erwartungshaltungen, den eigenen und fremden, das ist das herumgerissene Lenkrad, um die ausgetretenen Pfade zu verlassen. „Du bist mit all deinen Problemen noch gesegnet, also bild’ dir nichts ein“, singt er in diesem Stück Hippie-Rap und klingt ein bisschen wie die Orsons.

Wache Momente wie dieser stehen aber in fast schon befremdlichem Kontrast zu blutleeren Stücken, die nicht zu Ende gedacht wirken. Oder eher nach 2012 klingen: „Facetime Luv“ ist voller Worte wie „Bytes“, „Likes“ oder „Insta“, da wächst wohl auch ein Cro mit Geburtsjahr 1990 so langsam aus der Bubble der coolen Kids heraus. „Easy“ ist eben auch schon wieder zehn Jahre her, da sind die TikToker noch mit Stützrädern gefahren.

Es geht um Liebe und Likes

Einen Neubeginn sieht Cro in „11:11“. Mal wieder. Schon rund um „Trip“ war das zu hören, dazu die Mode, die Kunst. Man fragt sich, wie viele Neuanfänge ein Mensch mit Anfang 30 eigentlich braucht. Rap, Pop, Soul, verschachtelte Arrangements, viele abgefahrene und durchaus hörenswerte Synthesizer-Spielereien: Es ist schon was los in seinen Songs. Am Ende gibt er sich meistens doch mit knackigen kleinen Songstudien zufrieden, in denen es recht unoriginell um Liebe, um Likes, um Roadtrips nach Portugal geht. Ein großer Lyriker war Cro noch nie.

Dafür hat „11:11“ einen kleinen Kanye-West-Größenwahnmoment: In „11“, dem ersten von den beiden identisch getauften Titelsongs, sampelt Cro eine Rede von Denzel Washington, in der es sinngemäß heißt: „Ich stehe hier oben, um Gott dafür zu danken, ein Vorbild zu sein und Menschen auf der ganzen Welt zu berühren.“ Das ist dann vielleicht doch etwas zu viel des Guten. Auch auf einem Sommeralbum.

So sehr nach Neubeginn klingt das alles also nicht. Zumal Autotune weiterhin sein bester Ratgeber scheint. Das Gros der Songs ist fluffig, unkompliziert, bei aller dichten Stimmung und allen spannenden Details fehlt aber immer wieder der Schwung, die Dynamik. Und das, obwohl die Songs meist nicht die Drei-Minuten-Marke knacken. Vielleicht reicht Cro das. Sommeralbum eben. Mehr als diese Ansprüche erfüllen die meisten Songs dann auch nicht, stellen weiterhin Musik für ein sehr junges Publikum dar. Der Neuanfang, nur eine Illusion.

Maler und Modeschöpfer

Pop
 Bevor Cro 2012 mit „Easy“ die deutsche Musiklandschaft auf den Kopf stellt, macht er bei der Stuttgarter Zeitung eine Ausbildung zum Mediengestalter und arbeitet als Cartoonzeichner. Sein drittes Studioalbum „Tru“ macht 2017 Schluss mit dem beschwingten Raop-Sound. Nach der Metamorphose klingt Cro reifer, ernster.

Kunst
Seit der Coronapandemie tritt Cro auch als Maler in Erscheinung und vertreibt NFTs, also digital einzigartige Kunstwerke. Und er hat eine eigene Klamottenmarke.

Album
„11:11“ (Universal), das fünfte Album von Cro, erscheint an diesem Freitag.

Tour
Cro stellt im August und Dezember sein neues Album live vor. Die meisten Termine sind bereits ausverkauft – auch das Konzert, das am 17. Dezember in der Stuttgarter Porsche-Arena stattfindet.