Beim 1:1-Festival kann man exklusive Konzerte in atemberaubender Umgebung genießen – wie hier an der Grabkapelle. Foto: Wolf-Peter Steinheisser

Ob an der Grabkapelle, im Schloss Solitude oder am IHK- Weinberghäusle: Zu magischen Begegnungen an wunderschönen Orten in Stuttgart lockt das 1:1-Festival am Wochenende. Jeder Gast hat eine Künstlerin oder einen Künstler für sich ganz allein.

Stuttgart - Vier Augen und vier Ohren in der Kunst vereint: Im harten Lockdown, als sich nur zwei Haushalte treffen durften, fing’s damit in Stuttgart an. Konzerte im gewohnten Stil waren nicht mehr drin. Man musste sich was Neues einfallen lassen, um Corona zu trotzen. Die Staatsoper und das SWR-Symphonieorchester brachten als Initiatoren jeweils zwei Personen zu einem kurzen, künstlerischen Rendezvous in einer Länge von maximal zehn Minuten zusammen. Am Wochenende folgt die Neuauflage eines gelungenen Experiments – mit noch mehr Beteiligten aus noch mehr künstlerischen Bereichen an noch mehr Locations.

Die Idee dazu stammt vom Kammermusikfestival im thüringischen Kloster Volkenroda. Als noch niemand etwas von der Pandemie ahnen konnte, wollte man dort bereits mit Privatkonzerten für ein einköpfiges Publikum neuartige Konzerterlebnisse schaffen. In Stuttgart hat diese Idee vor einem Jahr dann ihre Reise um die von Corona blockierte Welt begonnen.

Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten

Auch wenn die Pandemie inzwischen Lockerungen zulässt, halten die Veranstalter am bewährten Prinzip fest und laden für das e Wochenende erneut zum 1:1-Festival ein. „Die direkte Begegnung von nur zwei Menschen, die sich wortlos für zehn Minuten treffen, schafft eine ganz besondere Intimität“, schwärmt Opernsprecherin Helena Rittler. Weil alle so begeistert waren, die Zuhörenden wie die Aufführenden, geht es am Samstag, 24. Juli, von 15 bis 20 Uhr sowie am Sonntag, 25. Juli, von 11 bis 16 Uhr in die nächste Runde. Nicht nur die Musik ist beteiligt, jetzt sind auch Tanz, Schauspiel, Puppenspiel, Artistik und vieles mehr vertreten. Für die 100 Akteure, die Spaß an reizvollen Darbietungen an ungewohnten Orten haben, besteht obendrein die Chance, ein bisschen Geld zu verdienen. Jede und jeder tritt etwa fünfmal auf.

Wer qualitativ hochwertige Kunst als Privatkonzert erleben will, zahlt keinen Eintritt, wird aber um eine Spende gebeten. Darüber hinaus verwendet die Staatsoper Spenden sowie das Preisgeld eines Innovationspreises zum Verteilen an freischaffende Künstler, die über viele Monate ohne Auftritte blieben und kein Kurzarbeitgeld bekommen haben. Zu den Spielorten gehören die Wagenhallen, das Haus der Musik im Fruchtkasten, die S-21-Baustelle, der Weiße Saal des Schlosses Solitude, die Weinberghäuschen von IHK und Züblin, die Staatsgalerie und vieles mehr. Plätze mit wunderbarer Aussichten sind dabei, aber auch Innenräume von Museen oder Clubs, wo man sich ganz auf die Kunst konzentrieren kann.

Klatschen ist unerwünscht, Zugaben gibt es nicht

Bitte schweigen! Bitte nicht klatschen! Bitte keine Zugaben verlangen! Und den Künstler niemals um ein Autogramm bitten oder ihn gar berühren wollen! Die Begegnung beim 1:1-Festival verläuft im Allgemeinen so ab: Der Gast sitzt auf seinem Stuhl ganz allein. Er darf auch nicht seine Ehefrau, seinen besten Kumpel oder seine Tante mitbringen. Denn der Genuss, der nun folgt, ist nur für eine Person ganz allein bestimmt. Die Künstlerin oder der Künstler bleibt wortlos. Der erste Blickkontakt kann der Impuls sein – zu einer intensiven Erfahrung für beide Seiten. „Trotz Distanz kann dabei Nähe entstehen“, sagt Helena Rittler von der Oper.

Wer auftreten wird? Dies bleibt ein Geheimnis bis zuletzt! Die Namen der Beteiligten stehen nicht im Programm. Die Interessierten können sich nur für einen Spielort eintragen und werden überrascht, ob der Generalmusikdirektor Cornelius Meister persönlich eine Privataudienz am Klavier gibt, ob die dritte Geige von links spielt oder gar der Starsolist des Stuttgarter Balletts tanzt.

Auf die Rückkehr des Publikums sehnsüchtig gewartet

Viele Orchestermusiker fühlen sich bei den 1:1-Auftritten an ihre Unizeiten erinnert, als sie allein vorspielen mussten. Im Klangkörper eines Orchesters ist man ein Teil des großen Ganzen, doch hier wird jeder zum Solisten. Wenn die zehn Minuten vorbei sind, verabschiedet man sich nur mit den Augen. Blicke oder ein Lächeln verraten, wie es gefallen hat. Kunst wird ganz intensiv erlebt bei diesem Tête-à-Tête der Überraschungen. Erstmals sind etliche Artisten dabei, die über viele Monate nicht auftreten konnten und sehnsüchtig auf die Rückkehr des Publikums gewartet haben.

Was allen gefehlt hat, ist mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Kultur bringt Bewegung in die Gesellschaft, kann irritieren und provozieren, zum Träumen verführen. Kultur ist gelebte Freiheit und kommt nach Corona umso stärker zurück. Die Pandemie hat allen viel abverlangt – aber kann wenigstens neue Kunstgenüsse ausprobieren.

Der Eintritt für das 1:1-Festival am Samstag und Sonntag, 24. und 25. Juli, ist frei, um Spenden wird gebeten. Buchung unter https://1to1festival.de.