Manfred Lucha hat als erster Minister in Deutschland die Priorisierung von Impfwilligen durch Hausärzte abgeschafft. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Der Start in die neue Legislaturperiode gelingt Grün-Schwarz bei der Pandemiebekämpfung besser, als das Ende der letzten Regierungszeit vermuten ließ. Ein goldener Mittelweg und frühes Erkennen von Krisen sind das Rezept.

Stuttgart. - Als eine der ersten Amtshandlungen hat die neue Regierung in Stuttgart im Mai den Vertrag für den freiberuflich arbeitenden Amtschef im Sozialministerium, Uwe Lahl, bis Ende 2021 verlängert. Der promovierte Chemiker Lahl ist eigentlich Pensionär und schon 70, aber um einen erfahrenen Krisenmanager „mit Biss“ an die Seite von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) zu stellen, hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den Ex-Amtschef aus dem Verkehrs- ins Sozialministerium beordert. Ein kluger Schachzug. Denn Lahl wirbelt mit Coronagipfeln, vorausschauender Planung und Tagesberichten. Unter seiner Ägide ist das Landesgesundheitsamt dem Regierungspräsidium Stuttgart entzogen und dem Sozialministerium unterstellt worden – zur strafferen Führung. Vom „Chaos-Management“, das die Opposition Lucha noch im Winter vorgeworfen hatte, ist jetzt nicht mehr die Rede. Als FDP, SPD und AfD diese Woche im Sozialausschuss des Landtags Lucha vorführen wollten, da war ein von den Sozialdemokraten vorgetragener Hauptkritikpunkt, dass dessen vielfältigen und bunten Vorschläge „nicht abgestimmt“ seien. Beispielsweise der, ein Bundesgesundheitsamt zu schaffen. Wenn’s weiter nichts ist.

 

Kretschmann will Ruhe, keine Spaltung

Die Coronapolitik hat sich gewandelt. Galt es lange Zeit, den Mangel an Impfstoffen zu verwalten, so kippte in der letzten Juniwoche die Stimmung, die Nachfrage brach ein, und plötzlich waren viele Impftermine frei. Von der Mangelverwaltung musste die Regierung umschalten auf ein Werben fürs Impfen. Im Nachhinein war es klug, dass Lucha als erster Minister in Deutschland die Priorisierung von Impfwilligen durch Hausärzte – trotz der Zusatzbelastung – abgeschafft hat. Es ging darum, die Korridore fürs Impfen rasch und breit zu öffnen. „Wenn wir auf dem Impfstoff sitzen bleiben, hauen uns das die Bürger um die Ohren“, hieß es im Sozialministerium. Bundesweit ist jetzt das Phänomen eingetreten, Impfwillige zu finden. Mit ehrenwerten Versuchen wie der Kampagne Dranbleiben.de und einer Aktionswoche versucht das Land die Impfquote zu erhöhen – mit mäßigem Erfolg. Baden-Württemberg mache einen „unaufgeregten und soliden Job“, wie ein Beobachter sagt. Als erstes Land hat es die Abkehr von der Inzidenz als einzigen Faktor für Einschränkungen befürwortet – ein fälliger „Paradigmenwechsel“.

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Anders als Bayerns Ministerpräsiden Markus Söder (CSU) ist Kretschmann an einer Beruhigung an der emotionalen Front gelegen, er hat sich für die Gleichberechtigung von „geimpft, genesen, getestet“ ausgesprochen. Bei den Schulen hat Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) gepunktet, indem sie ein 70-Millionen-Förderprogramm für Luftfilter startete und Studierende sowie Externe an die Schulen holen wird, damit Schüler ihre Coronalücken schließen.