Die Seilbahn über Rio de Janeiro Foto: dpa

Seit 100 Jahren fahren Touristen mit der Seilbahn zum Zuckerhut. Weil die Menschen immer schwerer werden, dürfen weniger mit.

Rio de Janeiro - Mit seinen 395 Metern steht der Granitklotz des Zuckerhuts wie ein steinerner Wächter am Eingang zur Bucht von Rio de Janeiro, seit 560 Millionen Jahren schon. Seit hundert Jahren kommt man ohne größere Anstrengungen auf das Wahrzeichen von Rio de Janeiro. Man fährt mit der Seilbahn hoch. Sie schaufelt unermüdlich rund 1,4 Millionen Touristen jährlich in die Höhe. Älter sind nur die Kabinenseilbahn vom Wetterhorn in der Schweiz und vom Monte Ulia in Spanien.

Den ersten Mensch auf dem Zuckerhut gab es bereits 1817: Die Engländerin Henrietta Carstairs bestieg den Gipfel und platzierte dort den Union Jack. Der Legende nach ließ das einem patriotischen portugiesischen Soldaten keine Ruhe. Er soll tags darauf auf den Felsen geklettert sein und die fremde Flagge eingeholt haben um die eigene zu hissen.

Waghalsige Manöver beim Bau der Seilbahn

Knapp 100 Jahre später hatte der Ingenieur Augusto Ramos die Idee, den Zuckerhut zu verdrahten. 1908 hatte die junge Republik am Fuße des Berges und zu Ehren von Brasiliens hundertjähriger Unabhängigkeit eine Industrieausstellung arrangiert. Nach den Feierlichkeiten blieb das Terrain ungenutzt zurück. Hier setzte Ramos die Bodenstation hin. Seine Leute mussten wie die Affen klettern, um die Seile hochzuziehen – erst auf den 200 Meter hohen Vorberg Morro da Urca, dann im kühnen Schwung hinüber zum Zuckerhut. Die Kölner Firma von Julius Polig lieferte die Schwebetechnik und die ersten geschlossenen Fahrkörbe, in die anfangs 17, später 24 Passagiere passten.

Ende Oktober 1912 wurde die Seilbahn eingeweiht. Das Volk nannte sie „bondinho“, und dabei ist es bis heute geblieben. Es ist die portugiesische Verkleinerungsform des englischen Wortes „bond“ – Finanzanleihe. Ramos hatte solche Anleihen zur Finanzierung seiner Drahtseilbahnkompanie ausgegeben. Und im Unterschied zu den meisten staatlichen Anleihen konnten die Gläubiger fette Zinsen einfahren. Denn die „bondinho“ war ein voller Erfolg. Erst 1972 wurden die alten Kabinen durch neue, größere aus Metall ersetzt, die ihrerseits im Jahr 2007 modernen Gondeln aus der Schweiz weichen mussten.

Bei starkem Wind steht die Seilbahn

Größere Störungen gab es nicht. 1935 traf eine Kanonenkugel das Seil. Immer wieder zeigen Seiltänzer zu Fuß oder motorisiert ihr Können auf dem Kabel, was zu Einschränkungen im Betrieb führt. Gleiches galt für die Dreharbeiten für „Moonraker“ (1979) als sich Roger Moore alias James Bond sein legendäres Duell mit dem Beißer lieferte.

Im Jahr 2000 riss im unteren Abschnitt der Bahn das Zugseil. Die Fangbremse an den Tragseilen stoppte die Kabinen. Damals mussten die 65 Passagiere zwei Stunden auf ihre Rettung warten. Vor zwei Jahren standen die Kabinen eine Stunde lang still, weil ein Sicherheitsschalter blockiert hatte. Und bei starkem Wind stellt die Bahn als Vorsichtsmaßnahme den Betrieb ein.

So gut wie alle Promis dieser Welt waren schon oben. Vor fünf Jahren wurde die maximale Anzahl der Touristen pro Kabine allerdings von 75 auf 65 Passagiere reduziert, weil die Menschen immer schwerer werden.Wer weiß, wie viele Touristen die Bahn in ihren nächsten 100 Jahren noch transportieren darf.