Das ehemalige alte Waisenhaus am Charlottenplatz: Hier hat das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) seinen Hauptsitz. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Mit einem Festakt begeht das Institut für Auslandsbeziehungen am kommenden Dienstag sein 100-jähriges Bestehen. Dazu werden prominente Gäste erwartet, allen voran Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Das Jubiläum fällt in politisch turbulente Zeiten.

Stuttgart - Das „ifa“ in Stuttgart? Nie gehört? Das ist schwer möglich, denn wenige Institutionen befinden sich in zentralerer Lage, und eine Institution ist das ifa zweifelsohne. Dafür spricht schon sein Alter: Seit 100 Jahren hat das Institut für Auslandsbeziehungen, kurz ifa, seinen Sitz in Stuttgart. Anfangs in einem Seitenflügel des Neuen Schlosses, seit 1925 im benachbarten Alten Waisenhaus am Charlottenplatz, gegenüber dem Hotel Silber, wenige Meter vom Karlsplatz und dem neuen Dorotheenquartier entfernt. Prominenter geht’s nicht.

Warum spielt das ifa im öffentlichen Bewusstsein dann keine größere Rolle? Warum denkt man eher an die Internationale Funkausstellung als an den internationalen Kulturaustausch, den das Institut für Auslandsbeziehungen vorbildhaft organisiert?

Die Nazis kehrten den Sinn des Instituts um

Die Frage muss offenbleiben. Leichter beantworten lässt sich die Frage nach der Entstehungsgeschichte des ifa. Sie beginnt am 10. Januar 1917, also im vorletzten Jahr des Ersten Weltkriegs. In Anwesenheit und mit Fürsprache des württembergischen Königs Wilhelm II. wurde die aus öffentlichen Geldern finanzierte Einrichtung in Stuttgart eröffnet. Das Ziel: Sie sollte das beschädigte Ansehen Deutschlands in der Welt verbessern helfen. Die vielen Auslandsdeutschen waren als kulturelle „Mittler“ vorgesehen. Zunächst trug die Einrichtung den unaussprechlichen Namen: „Museum und Institut zur Kunde des Auslanddeutschtums und zur Förderung deutscher Interessen im Ausland“. Schnell erfolgte die Umbenennung in „Deutsches Auslands-Institut (DAI)“. An seiner Spitze standen der Unternehmer Theodor Wanner und der Politikwissenschaftler Fritz Wertheimer. Zwei prägende Persönlichkeiten, die das Institut als überparteiliche Einrichtung formten, ehe sie 1933 von den Nationalsozialisten aus ihren Ämtern gedrängt wurden.

Dunkle, tiefbraune Jahre folgten. Das Auslands-Institut wurde seiner kulturellen, völkerverbindenden Inhalte beraubt und nationalsozialistisch verbogen. Jetzt ging es um „Rassenpolitik“ und „Eindeutschung“. Eine vom ifa angeregte Forschungsarbeit deckte 2006 enge Verflechtungen mit dem Nazi-Regime auf. Beispielsweise war das DAI in Zwangsumsiedlungen involviert.

Mit Kultur Politik machen?

Bei Kriegsende schien das einst hoffnungsvoll gestartete Institut in jeder Beziehung ausgezehrt – inhaltlich wie personell. Bei Bombenangriffen brannte der Dachstuhl des Instituts aus. Vier Jahre später folgte der Neuanfang unter dem heutigen Namen: Institut für Auslandsbeziehungen. Getragen wurde und wird die Körperschaft des öffentlichen Rechts vom Auswärtigen Amt, dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart. 1951 bezog das ifa die wiederhergestellten Räume am Charlottenplatz. Mit dabei Bundespräsident Theodor Heuss, der das Institut bei diesem Anlass als „Elementarschule für den Verkehr mit dem Ausland“ bezeichnete und seiner Hoffnung Ausdruck verlieh: „Mit Politik kann man keine Kultur machen; vielleicht kann man mit Kultur Politik machen.“

Ein viel zitierter Satz. Dem ifa dient er als eine Art Leitspruch. Als „Mittlerorganisation“ will es mit Kultur zu einem „friedlichen und bereichernden Zusammenleben von Völkern, Staaten und Religionen beitragen“. Dabei geht es immer auch um die Vermittlung des Deutschlandbildes. Mit Hilfe der Kultur gelang es nach dem Zweiten Weltkriegs, Stück für Stück Brücken zu bauen. Das ifa organisierte Kunstausstellungen und richtete Regionalreferate ein, um weltweit Beziehungen zu knüpfen. Parallel dazu engagierte es sich in der Bildungsarbeit – in Form von Seminaren für deutsche Fachkräfte im Ausland oder Sprachkursen für Ausländer. Zudem baute das ifa seine Bibliothek zur größten Fachbibliothek im deutschsprachigen Raum aus und trat mit eigenen Zeitschriften publizistisch in Erscheinung.

Seit 1971 verfügt das ifa in Stuttgart auch über eigene Ausstellungsräume: die ifa-Galerie. Dort werden vom 10. Januar an Bilder des äthiopischen Fotografen Johannes Haile zu sehen sein, der im Nachkriegsdeutschland unterwegs war. Mit zeitgenössischer Kunst, Architektur und Design beschäftigt sich parallel dazu die ifa-Galerie in Berlin.

Kultur war indes auch im eigenen Haus gefragt – Unternehmenskultur. Anfang der neunziger Jahre erlebte das ifa eine Phase der Verunsicherung, ausgelöst durch Führungsturbulenzen. Dazu kamen die politischen Systemumbrüche in der Welt, die das ifa vor große Herausforderungen stellte. Heute, im Jubiläumsjahr unter Präsidentin Ursula Seiler-Albring und Generalsekretär Ronald Grätz, zeigt sich das ifa gestärkt und selbstbewusst. Es versteht sich wie das Goethe-Institut als Kompetenzzentrum der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Aktuell beschäftigt das ifa 123 Mitarbeiter – 103 in Stuttgart und 20 in Berlin. Sein Jahresetat beläuft sich auf knapp 20 Millionen Euro.

Im Mittelpunkt der Arbeit steht der interkulturelle Dialog. „Wenn Menschen miteinander reden, andere Lebensweisen kennenlernen und sich auf kulturelle Unterschiede einlassen, wird es schwieriger, Worte gegen Waffen einzutauschen“, sagt der Vorsitzende des ifa-Fördervereins Stephan Brübach. Das Motto heißt: Frieden schaffen durch Kultur. Dazu passt die Beschäftigung mit dem Thema „Kulturen des Wir“ – der rote Veranstaltungs-Faden im Jubiläumsjahr.

Darüber hinaus nimmt das ifa aktuelle politische Entwicklungen in den Blick – etwa das Thema Populismus. Zwei Forschungsarbeiten sollen die Auswirkungen des Brexit und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten auf die kulturellen Beziehungen untersuchen.

Hohe Erwartungen an den künftigen Präsidenten Martin Roth

Wird man davon Notiz nehmen? Wird das ifa künftig stärker in die Stadt hineinwirken, in der es seinen Hauptsitz hat? Dazu könnte der gebürtige Stuttgarter Martin Roth beitragen, bis vor kurzem Direktor des renommierten Victoria-and-Albert-Museums in London. Im Sommer wird er als Nachfolger von Seiler-Abring die ifa-Präsidentschaft übernehmen. Roth hat angekündigt, dass er sich angesichts der politischen Herausforderungen und Bedrohungen in Europa politisch stärker einbringen will. Außenminister Frank Walter Steinmeier, der beim Festakt am 10. Januar im Neuen Schloss reden wird, wertete die Wahl Roths „als deutliches Zeichen des Aufbruchs“. Könnte heißen: Man wird in Zukunft verstärkt vom ifa hören. Auch in Stuttgart.