Badespaß am Max-Eyth-See in den 30er Jahren: Mit ihrer Wasserwache sorgt die DLRG auch heute noch für Sicherheit an Stuttgarter Gewässern Foto: DLRG

Jeder kennt die Retter der DLRG aus dem Freibad: Was kaum einer weiß: Die Keimzelle der Organisation liegt in Bad Cannstatt.

Stuttgart - Wie so oft waren es auch in diesem Fall große Katastrophen, die einen Sinneswandel in der Gesellschaft bewirkten. Als am 15. April 1912 die als unsinkbar geltende „Titanic“ untergeht, sitzt der Schock tief. Nur ein paar Wochen später wird die Öffentlichkeit in Deutschland erneut Zeuge eines großen Unglücks. Am 28. Juli 1912 bricht die Seebrücke in Binz auf Rügen teilweise auseinander, über 100 Menschen stürzen ins Wasser, 17 ertrinken, darunter auch zwei Kinder. Nur fünf Prozent der Bevölkerung können zu diesem Zeitpunkt schwimmen. Laut einem Zeitungsbericht von damals drängte die Polizei Helfer mit den Worten zurück: „Sie haben hier nichts zu retten.“ Retter und Gerettete mussten beim Verlassen des Stegs zehn Pfennig Brückengeld entrichten.

Die schrecklichen Bilder von der Ostsee haben sich auch Fritz Peter aus Bad Cannstatt eingebrannt. Der Gauschwimmwart des Deutschen Schwimmverbands veröffentlicht zusammen mit Leo von Vetter, Erbauer des ersten großen Hallenbades in Stuttgart, im Juni 1913 den Gründungsaufruf in Württemberg. „Freut euch über jeden, der durch euer Tun vom Tode des Ertrinkens gerettet wird“, schreibt er im Juli 1913 ins Amtsblatt des DSV und wirbt damit für einen der ersten Rettungskurse in Deutschland überhaupt. Nur ein paar Wochen später trainieren im Neckar die ersten eifrigen Bürger aus Stuttgart, um die Kunst des Rettens zu erlernen. Die Idee zur Deutschen Lebensrettungsgesellschaft ist geboren. Am 16. Oktober wird 1913 die schwäbische DLRG in Bad Cannstatt offiziell gegründet. Erst drei Tage später gründet sich in Leipzig der Bundesverband der DLRG.

Etwa 60 000 Mitglieder zählt die DLRG im Verband Württemberg

Sportreiben und Retten – das sind auch 100 Jahre später noch die Kernaufgaben der DLRG. „Der Verein ist sich treu geblieben“, sagt Hans-Peter Eckstein, Sprecher des Landesverbands Württemberg, der seinen Sitz wie der Bezirk Stuttgart am Max-Eyth-See hat. Etwa 60 000 Mitglieder zählt die DLRG im Verband Württemberg. Prominente Unterstützer wie die Unternehmen Bosch und Breuninger sind quasi von der ersten Stunde an mit dabei. Die DLRG ist unterteilt in 22 Bezirke und 210 Ortsgruppen. 2800 Ausbilder leisten pro Jahr etwa 150 000 ehrenamtliche Stunden in Schwimm- und Rettungsschwimmkursen. Als Aufseher wachten DLRG-Mitglieder im vergangenen Jahr an 270 Freibädern und Seen rund 90 000 Stunden lang.

Auch in Stuttgart besteht eine der Hauptaufgaben im Wachdienst am Neckar und Max-Eyth-See. Von Mai bis September ist das Rettungszentrum mit sechs bis acht Leuten besetzt, darunter auch Taucher und Sanitäter. Sie rücken bei allen Wasserunfällen aus. So war etwa die DLRG mit sieben Fahrzeugen, drei Booten und 21 Mann am Unglücksort, als am 13. Oktober ein 23-jähriger Rumäne im Neckar ertrank. Der betrunkene Mann war nach einer Schlägerei vor einem Club in Esslingen vor der Polizei geflohen und in den Neckar gesprungen. In diesem Fall jedoch blieben alle Rettungsversuche erfolglos.

Eine wichtige Säule ist inzwischen aber auch der Katastrophenschutz geworden. Beim Hochwasser an der Elbe im Juni waren 125 Helfer aus Württemberg im Einsatz im Raum Magdeburg. Mit ihrer Technik und den gut ausgebildeten Tauchern und Strömungsrettern ist die DLRG inzwischen eine feste Größe bei Wasserkatastrophen.

Nachwuchssorgen kennt die DLRG kaum

Doch genau dieses Engagement bringt neben großer Anerkennung auch Probleme mit sich. „Der aktive Katastrophenschutz ist für Arbeitgeber abschreckend, da es für Mitarbeiter, die während der Arbeitszeit zu Einsätzen gerufen werden, keine Kostenregelung gibt“, beklagte der württembergische Verbandschef Bruno Bietz Ende Oktober bei der 100-Jahr-Feier im Neuen Schloss. Entweder nehme ein ehrenamtlicher Helfer in dieser Zeit Urlaub, oder aber der Arbeitgeber bleibe auf den Kosten sitzen. Wegen der Freistellung eines Mitarbeiters sei der DLRG jüngst die Rechnung eines Unternehmens für den Dienstausfall ins Haus geflattert.

Nachwuchssorgen kennt die DLRG im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen trotzdem kaum. Das Bild vom gut trainierten Retter im Freibad mit dem bekannten Schriftzug auf dem Rücken zieht offenbar. Junge Mädchen finden es cool, einen Rettungskurs bei der DLRG zu machen. Die Hälfte der Mitglieder ist unter 26 Jahre alt. Dünn sieht es dagegen in der Verwaltung aus. Hans-Peter Eckstein: „Wenn es um Jobs wie Materialbeschaffung oder Bootswartung geht, haben wir im Moment die größeren Sorgen.“