Vor wenigen Monaten haben Studenten gegen die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge

Vor wenigen Monaten haben Studenten gegen die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge protestiert. Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) will nachbessern und hat Wissenschaftler, Studenten und Hochschulpolitiker am 8. März zu einem Kongress eingeladen.

Von Maria Wetzel

Herr Professor Frankenberg, wie erklären Sie sich die Schwierigkeiten an den Hochschulen? Wo wollen Sie nachbessern?

Wir hatten noch nie eine so große Studienreform in so kurzer Zeit. In der Kultusministerkonferenz und in den Vorgaben des Akkreditierungsrats wurde ein zu enges Korsett angelegt. Korrekturbedarf haben vor allem die Universitäten. Ich gehe davon aus, dass wir mehr vierjährige Bachelorstudiengänge bekommen und dass es größere Module und weniger Prüfungen gibt. Das erleichtert den Hochschulwechsel oder ein Auslandssemester.

Bis wann soll nachgebessert werden?

Das meiste wird zum Wintersemester geändert sein. In dem Akkreditierungsverfahren sollten die Fachgesellschaften mehr Einfluss erhalten. Sie sollen beraten, welche Kernmodule etwa ein Mathematiker oder ein Historiker unbedingt braucht. Wir müssen auch die Frage klären, ob wir berufsbezogene Abschlüsse anstreben oder Studenten beschäftigungsfähig machen wollen.

Wofür plädieren Sie?

Wir sollten beides anbieten. An Fachhochschulen und dualen Hochschulen wird das Studium anwendungsorientierter sein als an Universitäten. Allerdings muss es Durchlässigkeit geben. Übrigens befassen sich auch renommierte Hochschulen mit langer Bachelor-Erfahrung etwa in Cambridge, Oxford oder Hongkong derzeit mit dieser Frage. Sie verstehen die angestrebte Employability als intellektuelle, nicht als berufsspezifische Beschäftigungsfähigkeit. Ziel des Studiums ist eine reife akademische Persönlichkeit, die denken und analysieren kann. Dafür brauchen wir wieder mehr Breite. Studenten müssen die Möglichkeit haben, fachfremde Module zu studieren.

Ist das nötig, weil die Gymnasialzeit verkürzt wurde und die Studenten ab 2012 ein Jahr weniger Lern- und Lebenserfahrung haben?

Das vorgezogene Abitur schafft Freiheit, und wir sollten dafür Angebote machen. Die Schüler können entscheiden, ob sie drei Jahre studieren und dann in den Beruf gehen oder ob sie sich mehr Zeit lassen. In Kalifornien sind die Studierenden entgegen allen Gerüchten nicht jünger als bei uns. Vor dem Studium an einer renommierten Universität absolvieren sie in der Regel an einem College ein breites Bachelorstudium. Das dient nicht nur der Qualifizierung, sondern auch der Findung. Die Studenten sind dort im Schnitt 26 Jahre alt. Wir haben uns früher eingeredet, die seien alle 20.

Welche neuen Angebote wollen Sie schaffen? Denkbar sind etwa Orientierungssemester vor dem engeren Fachstudium, eine Wahlmöglichkeit zwischen drei- oder vierjährigem Studium und mehr Angebote für ein Teilzeitstudium. Bundesbildungsministerin Annette Schavan will entsprechende Projekte fördern, und auch bei der Ausbildungsförderung gibt es von ihr positive Signale.

Bis 2012 möchten Sie nun doch 20 000 statt 16 000 neue Studienplätze schaffen. Woher kommt der Sinneswandel?

Das Programm Hochschule 2012 stützt sich auf Bedarfszahlen des Statistischen Landesamts und auch der Kultusministerkonferenz. Nach neuen Zahlen des Landesamts ist der Bedarf gestiegen. Zum einen verlassen mehr Abiturienten die beruflichen Gymnasien. Wegen der Wirtschaftskrise entscheiden sich auch mehr für ein Studium. Zudem schaffen wir neue Zugangsmöglichkeiten zum Studium für Berufstätige.

Warum klemmt es jedes Mal vor Semesterbeginn: Einerseits stehen Studierwillige auf der Straße, andererseits sind Plätze unbesetzt?

Weil nicht alle, die eine Zusage erhalten, tatsächlich an der jeweiligen Hochschule auch ein Studium beginnen. Das wird einfacher, wenn die Hochschulen die neue Servicestelle in Dortmund in Anspruch nehmen.

Dank der Exzellenzinitiative und des Ausbaus der Hochschulen gibt es viele freie Stellen für Wissenschaftler. Finden Sie noch Experten?

Durch die Exzellenzinitiative und das Programm Hochschule 2012 sind rund 2000 neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingestellt worden. Dank der Studiengebühren sind außerdem im Mittelbau viele Stellen zu besetzen. Dadurch ist der Markt allerdings fast leer gefegt. Glücklicherweise kehren viele Wissenschaftler aus den USA zurück. Denn dort haben sich die Bedingungen verschlechtert.

Der Wissenschaftsrat hat gefordert, an den Universitäten Lehrstühle für die Ausbildung von Imamen und islamischen Religionslehrern einzurichten. Was halten Sie davon?

Die Universitäten Heidelberg und Tübingen interessieren sich dafür. Wir sollten gegebenenfalls an einer Hochschule beginnen. Wir brauchen aber auch die Resonanz der muslimischen Seite - dort gibt es nicht einheitliche Ansprechpartner wie bei den christlichen Kirchen. Es ist gut, wenn die Schulen Religionsunterricht für alle großen Konfessionen anbieten. Dann ist er Teil des Lehrplans und wird so erteilt, dass er in diese Gesellschaft mit allen grundgesetzlichen Garantien passt. Dies förderte auch den interreligiösen Dialog an den Schulen. Dialog ist eine wichtige Voraussetzung für Integration. Die müssen wir fördern, damit Einwandererkinder bessere Abschlüsse erreichen und studieren.

Eine wichtige Rolle bei der Integration spielen auch die Grundschullehrer. Werden sie künftig sieben oder acht Semester studieren? Acht Semester sind vernünftig und machbar. Ein Semester mehr macht die Ausbildung nicht schlechter. Das sollte man rasch klären und dann die Voraussetzungen schaffen.