Von Wolfgang MolitorEs ist die einzige Landtagswahl in diesem Jahr. Aber

Von Wolfgang Molitor

Es ist die einzige Landtagswahl in diesem Jahr. Aber auch ohne dieses Alleinstellungsmerkmal wäre der Urnengang in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai ein politischer Höhepunkt, eine entscheidende Weichenstellung, die Testwahl schlechthin. Zum einen sollen rund 13,3 Millionen Bürger den neuen Landtag bestimmen. Das ist die mit Abstand größte Zahl in einem Bundesland. Zum anderen findet die Wahl an Rhein und Ruhr in einer Zeit statt, in der die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht ohne Selbstverschulden in schweres Wasser geraten ist. Dass an Rhein und Ruhr nicht nur mit dem schwarz-gelben Landeskabinett unter dem Christdemokraten Jürgen Rüttgers, sondern auch mit Angela Merkel und Guido Westerwelle abgerechnet wird, liegt da auf der Hand.

Vor fünf Jahren war die Sache ähnlich. Noch am Abend der verheerenden Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen verkündete der damalige SPD-Bundesvorsitzende Franz Müntefering, Kanzler Gerhard Schröder habe sich zu Neuwahlen im Bund entschlossen. Es bedeutete für die SPD - nach vielen Schlappen zuvor - den Abschied von der Macht auch in Berlin. Das Ende des rot-grünen Projekts. So schlimm steht es für Angela Merkel (noch) nicht. Aber zumindest die Bundesratsmehrheit wäre Schwarz-Gelb bei einer Niederlage in NRW los - und damit die alleinige politische Gestaltungskraft (wenn man das angesichts der zahllosen gegenseitigen christlich-liberalen Nickeligkeiten überhaupt noch so bezeichnen will). Eine Niederlage in Nordrhein-Westfalen wäre ein schwerer Rückschlag für Schwarz-Gelb, eine frühe, schmerzhafte Abmahnung bereits ein knappes Dreivierteljahr nach der gewonnenen Bundestagswahl.

Nordrhein-Westfalen ist unberechenbar. Ein Blick auf die letzten Wahlen lohnt. Vor fünf Jahren holte die CDU hier 44,8 Prozent, dann bei den Kommunalwahlen 2009 nur noch 38,6 Prozent; wenig später fiel sie bei der Bundestagswahl auf 33,1 Prozent. Nein, ein CDU-Land ist NRW auch unter Rüttgers beileibe nicht. Doch die SPD hat daraus keinen Honig saugen können. Nach dem Absturz 2005 auf 37,1 Prozent, der ungebremsten Talfahrt bei den Kommunalwahlen 2009 auf 29,4 Prozent und den niederschmetternden 28,5 Prozent bei der letzten Bundestagswahl stehen hinter der Wiederbelebung noch immer zu viele Fragezeichen. Dass die FDP an Rhein und Ruhr kein stabiles zweistelliges Potenzial hat, die Linkspartei vom erstmaligen Einzug in den Düsseldorfer Landtag träumen darf und die Grünen auch in NRW der große Nutznießer der allgemeinen Wählerenttäuschung sein dürften, macht die Lage für alle nicht leichter.

Der affärenumwobene Popularitätseinbruch von Jürgen Rüttgers, die neue zaghafte Zuversicht seiner SPD-Herausforderin Hannelore Kraft und ihre unklare Haltung gegenüber der Linkspartei, die bürgerliche Debatte um Schwarz-Grün (immerhin gibt es in NRW 30 kommunale CDU-Bündnisse mit den Grünen, während Rot-Grün nur auf 27 kommt), die Pinkwart-Liberalen im Westerwelle-Abwärtssog und eine Linke, die sich spinnert, aber nicht ohne Erfolg in eine Verstaatlichungsnostalgie flüchtet: In NRW ist nichts unmöglich - auch wenn die Wähler einer Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen zufolge am liebsten Rot-Grün oder Schwarz-Rot hätten.

Es ist ein Ringen um Wechsel- und Nichtwähler. Dabei ist die Motivation der eigenen Klientel weder für CDU noch für SPD ein Selbstläufer. Rüttgers umgarnt auf der SPD-Seite frühere Johannes-Rau- und Wolfgang-Clement-Wähler, konservativ-antilinke Arbeitnehmer. Kraft will in etwa 30 besonders hart umkämpften Wahlkreisen grüne Erststimmen holen. Für einen neuen rot-grünen Pakt. Ergebnis? Offen! Nordrhein-Westfalen ist unberechenbar. Und ohne klaren Kurs.