Die Einschläge für die Gasversorger kommen näher. Wieder einmal hat ein

Die Einschläge für die Gasversorger kommen näher. Wieder einmal hat ein Gericht in Sachen Energiepreise im Sinne der Verbraucher entschieden. Im jetzigen Fall der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Auf den zweiten Blick ist das Urteil aber weniger spektakulär als gedacht.

Von Walther Rosenberger

STUTTGART/KARLSRUHE. In die vor über zehn Jahren liberalisierten Energiemärkte kommt Bewegung. Immer mehr Kunden wechseln oder verklagen ihre Versorger, wenn sie sich von den Konzernen übervorteilt fühlen. Das ruft auch die Gerichte auf den Plan. Anbei einige Fragen und Antworten zum jüngsten Urteil aus Karlsruhe:

Was war der Stein des Anstoßes?

Der Bund der Energieverbraucher und mehrere Gaskunden der Rheinenergie und der Stadtwerke Dreieich hatten geklagt, weil sie Preissteigerungen ihrer Versorger nicht mitmachen wollten. Letztinstanzlich hat ihnen der BGH in Karlsruhe jetzt recht gegeben. In den Verträgen der Kunden waren sogenannte Preisänderungsklauseln, die steigende Tarife einzig an die Entwicklung der Ölpreise koppeln, verankert. Den Gaspreis am Preis für Ölprodukte - im jetzigen Fall Heizöl - zu binden ist in Deutschland durchaus üblich, allerdings eher zwischen Gasexporteuren und Gasimporteuren als zwischen Gasversorger und Endverbraucher. In Fachkreisen ist dieser Mechanismus als Ölpreisbindung des Gases bekannt.

Was bemängelten die Richter genau?

Die Richter erkannten das grundsätzliche Interesse der Versorger an, Preissteigerungen - etwa bei der Gasbeschaffung - auch an die Kunden weiterzugeben. Allerdings kritisierten sie, dass dies ausschließlich durch die Kopplung an den Heizölpreis vonstattengeht. Immerhin könnte es sein, dass andere Preisbestandteile - etwa Kosten für Vertrieb, den Unterhalt des Gasnetzes, aber auch die Steuerbelastung - zurückgehen. Durch die Praxis, so das Argument der Richter, ergebe sich für die betroffenen Versorger die Möglichkeit, die Gewinne in unzulässiger Art und Weise zu steigern. Der Kunde würde übermäßig benachteiligt. Daher sind die beanstandeten Preisänderungsklauseln jetzt unwirksam. Die Kunden können auf Rückzahlungen hoffen.

Für wen gilt das Urteil?

Das Urteil ist in seiner Breitenwirkung beschränkt. Es gilt zunächst nur für Kunden mit Sonderverträgen. Das sind Verträge, die besondere Laufzeiten, Rabatte oder einen eingeschränkten Service enthalten, etwa Online-Tarife. Insbesondere gilt es zunächst nicht für die sogenannte Grundversorgung, also etwa den Tarif Erdgas Plus des Energieriesen EnBW. Zudem betrifft der Richterspruch zunächst nur die jetzt genannten Versorger, also die Rheinenergie in Nordrhein-Westfalen und die Stadtwerke Dreieich. Mittelbar strahlt das Urteil aber weiter, da auch andere Energieversorger jetzt dazu übergehen müssen, ihre Preisanpassungsklauseln zu ändern, wollen sie nicht Gefahr laufen, von den Kunden mit Klagen überzogen zu werden. Allerdings: Die allerwenigsten Endverbraucherverträge fußen nach Expertenangaben auf der Ölpreisbindung. Nach Angaben von Christian Michaelis, Energieexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sei dies speziell im Südwesten fast nie der Fall.

Wird jetzt die Ölpreisbindung fallen?

Die Ölpreisbindung im allgemeinen Verständnis bezieht sich auf die Lieferverträge der großen Gasimporteure, etwa Eon-Ruhrgas, VNG oder Wingas, mit den russischen oder norwegischen Exportfirmen, etwa Gazprom. Dort ist festgehalten, dass der Gasimportpreis dem Preis für Ölprodukte meist im Abstand von einem halben Jahr nachfolgt. In den 70er Jahren wurden diese Klauseln eingebaut, um der jungen Gasbranche Investitionssicherheit und kalkulierbare Preise zu ermöglichen. Denn: Einen Marktpreis für Gas, an dem man sich hätte orientieren können, gab es damals noch nicht. Speziell diese Ölpreisbindung ist vom gestrigen BGH-Urteil aber ausgenommen. Allerdings gibt es seit einigen Monaten Tendenzen, die auf eine Aufweichung der Ölpreisbindung auch auf dieser Ebene hindeuten. Weil Gas im Börsenhandel zurzeit extrem günstig ist, hat etwa Eon-Ruhrgas Verträge nachverhandelt und diese teilweise von der Ölpreisbindung abgekoppelt.

Wird Gas jetzt also billiger?

Durch das jetzige Urteil wahrscheinlich nicht - zumindest nicht auf breiter Front. Allerdings könnten reine Marktmechanismen dazu führen, dass sich die Verbraucher bald über mehr Wettbewerb und damit günstigere Preise freuen können. Anders als früher ist Gas derzeit in Massen vorhanden. Die Speicher sind voll, und Übermengen drücken zunehmend auf den freien Markt. Die Gaspreise an der Leipziger Energiebörse EEX liegen deutlich unter den in den Lieferverträgen mit den Exportländern festgezurrten Tarifen. Daher bedienen sich immer mehr clevere Versorger aus diesem Reservoir und geben die Ersparnis an die Kunden weiter. Der Überschuss wird nach Meinung von Fachleuten aber nur so lange anhalten, bis die Wirtschaft die Krise überwunden hat und ihren Gasverbrauch wieder nach oben fährt. Dann wird Gas wieder knapp, und die Börsenpreise könnten in die Höhe schießen. Die vielgeschmähte Ölpreisbindung, die Gas jetzt künstlich verteuert, würde dann eher preisdämpfend wirken.