Frauen, die gegen ihren Willen verheiratet wurden und der Ehe entfliehen,

Frauen, die gegen ihren Willen verheiratet wurden und der Ehe entfliehen, leben oft in Furcht vor Repressalien ihrer Familie. Sie sollen in Stuttgart in Zukunft besser betreut werden.

Von Verena Mönch

STUTTGART. Die junge Frau trägt hellroten Lippenstift und kurze Haare. Man sieht ihr nicht an, welch schmerzvollen Weg sie hinter sich hat. Hazal Ates, deren Name geändert ist, wurde im Alter von 14 Jahren mit ihrem Cousin verlobt, mit 17 in der Türkei zwangsverheiratet und von ihrem Ehemann sexuell und psychisch missbraucht. Als sie kurz nach ihrer Heirat nach Deutschland zurückkehrt, entscheidet sich die damals Schwangere, vor der eigenen Familie zu fliehen.

Um solche Schicksale wie das von Hazal geht es beim Fachtag Hinsehen - Handeln - Hilfenetze stärken, der am heutigen Donnerstag im Hospitalhof Stuttgart stattfindet. Er steht unter der Schirmherrschaft des Sozialministeriums Baden-Württemberg und der Evangelischen Gesellschaft (Eva).

Über 200 Interessierte haben sich angemeldet, ein Beweis für die Brisanz des Themas. Ziel des Seminars ist es, Fachpersonal wie Polizisten, Lehrer und Sozialpädagogen für das Thema Zwangsheirat zu sensibilisieren und über Beratungsangebote zu informieren, die auf familiäre Probleme von jungen Frauen mit Migrationshintergrund spezialisiert sind.

Eine der wichtigsten Anlaufstellen für diese Problematik ist der Verein Terre des femmes. Er bietet betroffenen Mädchen auf seiner Internetplattform die Möglichkeit, sich anonym Hilfe zu holen. "In den letzten Jahren hat sich viel getan", sagt Rahel Volz, Referentin bei Terre des femmes, "doch reicht dies noch nicht aus."

Es fehlen weiterhin Notfallangebote, die schnell und unbürokratisch jungen Frauen Schutz bieten, ohne dass zuvor ein langer Weg über das Jugendamt nötig ist. Außerdem gibt es bislang keinerlei Anlaufstellen für zwangsverheiratete Männer. "Viele Menschen kennen nur einen Ausschnitt dieser Lebenswirklichkeit", sagt die Abteilungsleiterin der Eva, Monika Memmel, die sich dafür einsetzt, dass die beiden Betreuungsangebote der Eva, Yasemin und Rosa, in Zukunft finanziell abgesichert sind.

Yasemin ist eine Beratungsstelle, an die sich Migrantinnen im Alter zwischen 12 und 27 Jahren wenden können, wenn sie familiäre Probleme haben, von einer Zwangsheirat bedroht sind oder Gewalt im Namen der Ehre fürchten. Außerdem gibt es dort kompetente Ansprechpartner für Lehrer, Nachbarn oder Freunde von Betroffenen. Das Projekt existiert seit drei Jahren und ist bislang auf fünf Jahre befristet.

Rosa ist eine Wohngruppe, in der junge Frauen mit Migrationshintergrund Schutz finden können. Sie haben meist Gewalt in jeglicher Form, sei es körperlich oder psychisch, erfahren. Es ist das Ziel dieser Einrichtung, die Betroffenen langfristig auf die Selbstständigkeit vorzubereiten. Während dieser Zeit leben die 16- bis 21-Jährigen in betreuten Wohngemeinschaften und können sich langsam an ein selbstbestimmtes Leben gewöhnen. Allerdings stehen bislang nur acht solcher Plätze zur Verfügung, die Anfrage übersteigt dieses Angebot um ein Vielfaches.

Hazal Ates hat bei Rosa ein neues Zuhause gefunden. Mittlerweile lebt die 19-Jährige in ihrer eigenen Wohnung und macht eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Ihr geht es gut, obwohl sie kurz nach der Flucht vor ihrem Ex-Mann ihr Kind verloren hat und Morddrohungen von ihrer Familie erhielt.

Zwar hat die islamische Hochzeit weder in Deutschland noch in der Türkei zivilrechtliche Gültigkeit, doch Hazal hat durch ihre Flucht die Achtung ihrer Familie verloren. Deshalb kann sie nicht nach Hause zurückkehren und muss ein Leben in Anonymität führen, da ihre Eltern nicht wissen sollen, wo sie wohnt und wie sie heißt. Ihr Weg war schwierig, doch er hat sich gelohnt. "Inzwischen kann ich meine Entscheidungen selbst treffen", sagt Hazal stolz. Dieses Recht wird sie sich nie wieder nehmen lassen.