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Sechs Spieltage vor Saisonende steigen die Chancen auf Rang sechs, der wohl für die Europa-Liga reicht.

Stuttgart - Die Bayern guckten, als hätte ihnen über Nacht jemand die Alpen geklaut. Und der VfB reiste mit dem erhabenen Gefühl zurück, dass ein Schwabenstreich in München noch immer zum Größten gehört, was eine Saison zu bieten hat. Es könnte sogar noch besser kommen.

Es ist schwer zu sagen, wo dieser Schweizer Gletscher von einem Trainer seine Gefühle versteckt. Aber nach dem 2:1-Coup beim FC Bayern schmuggelte sich selbst beim sonst so kühlen Christian Gross ein Lächeln ins Gesicht. Bei den Bayern triumphiert ein Trainer eben nicht alle Tage. "Es war ja nach über zehn Jahren mal wieder Zeit, hier zu gewinnen", sagte Gross nach dem ersten VfB-Coup seit 1999. Und dabei saß er so befreit und aufrecht wie Tell nach dem Apfelschuss.

Gross war stolz auf seine Mannschaft, die partout erreichen wollte, was sie sich eine Woche lang ausgemalt hatte. Und wie sie dann den Bayern in der Allianz-Arena ein Bein stellte, zählt neben dem Heimspiel gegen den FC Barcelona zu den beeindruckendsten Leistungen in dieser Saison. "Wir mussten hart arbeiten und sehr viel laufen", sagte Alexander Hleb, "aber es hat sich gelohnt." Das kann man so sagen: Nun bekommt Konturen, was vor Wochen noch verschwommen irgendwo in der Ferne lockte: die Teilnahme am internationalen Geschäft.

Der VfB ist, wenn man das so sagen darf, heiß auf die Sechs-Orgie. Denn sechs Spieltage vor Saisonende steigen die Chancen auf Rang sechs, der diesmal für die Europa-Liga reichen dürfte. "Wir haben einen großen Schritt nach vorne gemacht", bestätigte Christian Gross, der bescheiden anmerkte, dass seine Mannschaft wohl auch davon profitierte, dass der FC Bayern das Pokal-Halbfinale gegen den FC Schalke noch in den Beinen und das Champions-League-Duell gegen Manchester United schon in den Köpfen hatte. Und weil es eben so gar nicht seine Art ist, vergaß er geflissentlich zu erwähnen, dass es ein Spiel war, das auch die Trainer entschieden hatten. So oder so. Denn Gross hatte diesmal seine Stürmer Cacau und Ciprian Marica in den Südgipfel geschickt. Was richtig war. Cacau bereitete beide Treffer vor, von denen Marica den zweiten erzielte (50.), Träsch hatte das 1:0 durch Olic (32.) kurz vor dem Seitenwechsel ausgeglichen (41.).

Und als Louis van Gaal nach der Pause dem VfB mit der Einwechslung seiner Flügelzange Franck Ribéry und Arjen Robben den entscheidenden Stoß versetzen wollte, musste der selbst ernannte Trainer-Fuchs zur Kenntnis nehmen, dass Christian Gross seine Abwehr exzellent darauf eingestellt hatte. Timo Gebhart und Khalid Boulahrouz auf der einen, der überragende Cristian Molinaro und Alexander Hleb auf der anderen Seite, machten aus der R&R-Rakete eine stumpfe Waffe. "Der VfB hat gut verteidigt", bescheinigte van Gaal dem Gegner, den er reichlich unterschätzt hatte. Denn die Mannschaft, die er in der ersten Halbzeit "kaputtspielen" wollte, um sie in der zweiten zu erlegen, ist nun die beste Rückrundenelf - vor Schalke 04 und vor dem FC Bayern. Man möchte gar nicht daran denken, welche Möglichkeiten sich noch eröffnen könnten, wäre die Hinrunde bis zum Trainerwechsel nicht so erbärmlich gelaufen.

So weit will Horst Heldt gar nicht gehen, ihm genügt schon, wenn die Helden in Weiß-Rot am Samstag mit dem nötigen Elan gegen Borussia Mönchengladbach zu Werke gehen. "Wir wollen bis zum Saisonende noch möglichst viele Spiele gewinnen", sagt der VfB-Manager - um das große Ziel vielleicht doch noch zu erreichen. Und um die trotzige Einschätzung von Alexander Hleb nach dem Coup bei den Bayern ein wenig zu entkräften: "Der VfB ist keine Topmannschaft. Die Mannschaft ist jung und muss noch viel lernen."