Ein Teil des neuen Autobahnanschlusses soll südlich der Thales-Gebäude auf der Gerlinger Seite der Autobahn verlaufen. Foto: factum/Granville

Mit großem Nachdruck lehnen die Stadtverwaltung und der Gemeinderat von Gerlingen den zweiten Autobahnanschluss bei Ditzingen ab. Entsprechend deutlich fällt die Stellungnahme zum Regionalverkehrsplan aus. Doch ein einstimmiges Votum ist nicht alles.

Gerlingen - Der Streit währt seit Jahren: die Ditzinger sind für den zweiten Anschluss an die Autobahn 81, die Gerlinger vehement dagegen. Die Zu- und Abfahrt soll westlich des Ditzinger Indu-striegebiets entstehen. Die Ditzinger hätten den Anschluss gern, um die Verkehrsmengen in der Stadt und auf der Siemensstraße, der Hauptdurchgangsstraße durch die Kernstadt, zu verringern. Die Gerlinger befürchten, dass sich über die neue Anschlussstelle noch mehr Schleichverkehr durch ihre Stadt wälzt, wenn Stau auf der Autobahn ist. Die Ablehnung wurde am Dienstag im Technischen Ausschuss des Gemeinderats nochmals sehr deutlich.

Obwohl der Landesverkehrsminister Winfried Hermann sich bereits eindeutig gegen die neue Autobahnanschlussstelle ausgesprochen hatte, ist sie als „Maßnahme 334“ im neuen Regionalverkehrsplan enthalten. Dazu müssen die Kommunen in diesen Wochen ihre Stellungnahmen formulieren und an den Verband Region Stuttgart schicken. Ditzingen hat Anfang April zugestimmt, der Technische Ausschuss des Gerlinger Gemeinderats hat sich am Dienstag mit dem Thema befasst. Am 3. Mai ist es dann im Gemeinderat.

Der Verkehrsminister lehnt ab

Der Bürgermeister Georg Brenner kämpft für seine Stadt seit Jahren gegen den zweiten Autobahnanschluss. Zuerst setzte er seine Hoffnung in die Richtlinien für die Mindestabstände von Autobahnzufahrten – diese sieht zwei Kilometer vor. Die neue Zu- und Abfahrt Ditzingen wäre danach mit 1,2 Kilometer Abstand zu nahe an der Abfahrt Stuttgart-Feuerbach, deshalb bräuchte es eine Ausnahmegenehmigung. Dann nahm Brenner Kontakt mit dem Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) auf – der lehnte das Projekt ab. Anstatt sich auf den Anschluss und dessen stadtentlastende Wirkung zu verlassen, so der Minister, sollten die Ditzinger ihr innerstädtisches Straßennetz ertüchtigen. Doch auch der Bund hat noch mitzubestimmen, ebenso die Region. Auf deren Regionalverkehrsplan genießt der Anschluss die zweithöchste Priorität.

Der Ditzinger Oberbürgermeister Michael Makurath setzt sich vehement für die neue Anschlussstelle ein: Auch wenn man die innerstädtischen Straßen ausbaue, reiche diese Kapazitätserweiterung wegen der stets zunehmenden Verkehrsmengen nur für ein paar Jahre. Deshalb brauche die Stadt beides. Makurath betonte aber bei der letzten Beratung, die Stadt wolle dies nicht auf Kosten anderer.

Die Zufahrt soll hinter Thales mit zwei Anbindungen entstehen: zur Straße Ditzingen-Gerlingen auf der Südseite der Autobahn und zur Westumfahrung von Ditzingen. Die Strecke soll 1,1 Kilometer lang werden, 20 Millionen Euro kosten und von 40 000 Autos pro Tag benutzt werden. In der Beschreibung der „Maßnahme 334“ steht auch, es sei zu erwarten, dass „die Schutzgüter Mensch, Kulturlandschaft/Sachgüter, Landschaftsbild/Erholung, Klima/Luft, Fauna/Flora Biodiversität und Boden“ erheblich beeinträchtigt werden.

Viel Acker wird gebraucht

Die Stadt Gerlingen weist seit Jahren immer wieder darauf hin, dass durch die Abfahrt und die vielen Autos nicht nur die Stadt und ihre Bewohner belastet werden, sondern dass auch erhebliche Ackerflächen dafür benötigt werden. Im Plan ist von fünf Hektar die Rede. Zudem brachte Rudolf Sickinger (CDU) die zusätzliche Lärmbelastung zur Sprache. Laut Brigitte Fink (SPD) gibt es „keine neuen Erkenntnisse, warum wir von früheren Beschlüssen abweichen sollten“. Die Verkehrsprobleme müssten großräumig gelöst werden, dabei verwies sie auch auf den Nordostring um Stuttgart. Der sei dringender als der zweite Autobahnanschluss von Ditzingen.

Rolf Schneider (Grüne) betonte, aus den Daten des Regionalverkehrsplanes ergebe sich nicht, dass der zusätzliche Anschluss notwendig sei. Und Martin Nufer ergänzte, erst jetzt werde deutlich, dass die Anschlussstelle auf die Ditzinger Straße auf Gerlinger Markung führen solle. „Seither sind wir davon ausgegangen, dass der Anschluss nicht in Richtung Gerlingen geht.“ Der Stadtbaumeister Thomas Günther wies während der Beratung darauf hin, dass es detaillierte Pläne noch nicht gebe. Es sei aber zu erwarten, dass das Naherholungsgebiet zwischen Gerlingen und Ditzingen zerschnitten werde.