Die US-Luftwaffe entlädt auf ihrem Stützpunkt in Ramstein einen Kampfhubschrauber des US-Heeres. Den europäischen Nato-Partnern mangelt es an diesen Fähigkeiten zum Lufttransport. Foto: dpa

Um höhere Militärausgaben droht Streit in der Nato. Können die Europäer, wie von den USA gefordert, die Zwei-Prozent-Marke überhaupt erreichen. In der Bundespolitik streitet die CDU mit der SPD darüber.

Stuttgart - Zuletzt haben die Europäer bei den Nato-Gipfeln 2016 in Warschau und 2014 in Wales versprochen, zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Davon wiederum sollen 20 Prozent in neue Ausrüstung, Forschung und Entwicklung investiert werden. Davor hatten sich die 28 Nato-Partner auch 2002 schon einstimmig auf das Zwei-Prozent-Ziel geeinigt – wenn auch nicht verbindlich. Deshalb gilt seit 2014 die Frist, die zwei Prozent innerhalb von zehn Jahren zu erreichen.

Die Idee: Nach dem Ende des Kalten Krieges, insbesondere aber nach der russischen Annexion der Krim die Europäer wieder zu größeren Verteidigungsanstrengungen zu bewegen. Seit den 70er Jahren hatten die Europäer wiederholt vom großen Bündnispartner USA zu hören bekommen, sie müssten mehr für ihre eigene Sicherheit tun, sie seien sicherheitspolitische Trittbrettfahrer.

Der neue US-Präsident Donald Trump hat das Zwei-Prozent-Ziel nur besonders brutal wieder aus der Versenkung geholt. Mehrfach winkte er mit dem Zaunpfahl: US-Beistand für die Europäer könnte künftig davon abhängig werden, ob die Europäer auch die vereinbarten Verteidigungsausgaben leisten. Nichts anderes überbrachten auch US-Vizepräsident Mike Pence und Verteidigungsminister James Mattis bei ihrem Europa-Besuch jüngst in Brüssel und München. Die Verbündeten müssten endlich „ihr Wort halten“, nachprüfbar und mit schlüssigem Investitionsplan bis zum Jahresende.

Doch damit steht es nicht zum Besten. Das Zwei-Prozent-Ziel erreichen neben den USA gerade einmal vier von 28 Nato-Staaten: Griechenland, Großbritannien, Estland und Polen. Auch Deutschland steht nicht gut da. Mit 1,2 Prozent liegt es weit von der Zielvorgabe entfernt. Das gilt auch für die Investitionen (13,6 Prozent).

Willkürliches Richtmaß

Allerdings kritisieren Verteidigungsexperten seit langem, die Zwei-Prozent-Vorgabe sei ein willkürliches Richtmaß. Zum einen ist es von der Wirtschaftsleistung abhängig. Das führt dazu, dass anders als das boomende Deutschland das bankrotte Griechenland die Hürde überspringt. Zum anderen hat sich die Nato zwar grob darauf verständigt, was unter Militärausgaben zu verstehen ist. Die Wehretats der Mitglieder sind aber trotzdem ganz unterschiedlich gestrickt. So werden in Frankreich etwa auch Gendarmerie und Berufsfeuerwehr aus dem Militärhaushalt bezahlt. „Statt nur auf die Ausgaben zu schauen, sollte man vielmehr die echten militärischen Fähigkeiten im Blick haben“, sagt Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik unserer Zeitung. Dazu gehöre die Beschaffung von Gerät ebenso wie Betrieb und Unterhalt, betont er mit Blick auf die bekannten Mängel bei der Bundeswehr.

Lucie Béraud-Sudreau und Nick Childs vom International Institute for Strategic Studies in London haben überdies herausgearbeitet, dass die USA den Großteil ihrer Militärausgaben von 630 Milliarden Euro beileibe nicht für die Sicherheit im Nordatlantik ausgeben, sondern für ihre Interessen weltweit. Auf Europa entfallen dennoch beachtliche 27 bis 29 Milliarden Euro, also 4,2 bis 4,5 Prozent. Damit werden wichtige Defizite der Europäer kompensiert – von Präzisionsbomben bis zu Aufklärung und Luftransport. „Die USA leisten in der Tat einen bedeutsamen Beitrag zur europäischen Sicherheit“, meint Nick Childs. Trotzdem bezweifeln Beobachter, dass wirtschaftlich schwächere Nato-Mitglieder wie Spanien, Italien oder Portugal in der Lage sind, die Zwei-Prozent-Vorgabe früher zu erfüllen, ohne gegen die EU-Obergrenze zur Neuverschuldung zu verstoßen. Da droht Streit mit den Amerikanern.

In der deutschen Politik gibt es den – wahlkampfbedingt – bereits. So signalisierte Kanzlerin Angela Merkel zwar Verständnis für den US-Wunsch nach Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels, machte aber klar, dass dies auf absehbare Zeit nicht zu schaffen sei. Ganz ähnlich argumentiert auch SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold: „Das Nato-Ziel ist weder erreichbar noch nötig.“ Das solle man ehrlich einräumen. Demgegenüber trat CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte für eine „schrittweise Annäherung an das Zwei-Prozent-Ziel der Nato“ ein. Auch SPD-Minister hätten im neuen Verteidigungs-Weißbuch zugestimmt. Einig immerhin waren sich beide, dass die Bundeswehr nach Jahren der Vernachlässigung wieder deutlich besser ausgestattet werden müsse – materiell und personell.