Sprache und Bildung sind die wichtigsten Pfeiler einer gelungenen Integration. Foto: dpa

Mehr als ein Viertel der Menschen, die in Baden-Württemberg leben, hat einen Migrationshintergrund. In einer Studie wurde untersucht, wie gut sie in die Gesellschaft eingebunden sind – und welche Schwachpunkte es noch gibt.

Stuttgart - In den 1950er bis 1970er Jahren kamen zahlreiche Menschen aus Italien, der Türkei und Ex-Jugoslawien nach Baden-Württemberg – als Gastarbeiter oder weil sie beispielsweise ihren Ehepartnern nachfolgten. In den 1990er Jahren flüchteten viele Menschen aus Ex-Jugoslawien vor dem Bürgerkrieg. Von 1990 an, mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, zog es Menschen aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Eine bunte Mischung also, auch in Baden-Württemberg. Wie die Zuwanderer im Land integriert sind, hat nun die Universität Konstanz untersucht. Für die Studie „Integration gelungen?“ wurden 2566 Personen mit ausländischen Wurzeln befragt, Einwanderer der ersten, zweiten und dritten Generation. Sie kommen aus der Türkei, Italien, Polen, dem ehemaligen Jugoslawien oder der ehemaligen Sowjetunion. Zum Vergleich wurden auch 500 Einheimische interviewt.

„Integration ist ein längerer Prozess, der sich über mehrere Generationen erstreckt“, sagt Thomas Hinz, Soziologieprofessor an der Universität Konstanz, der die Studie zusammen mit Claudia Diehl geleitet hat. Integration lasse sich aber nicht an einem einzelnen Lebensbereich festmachen.

Sprache

Entscheidend für die Integration ist die Sprache. „Damit steht und fällt alles“, sagte Integrationsministerin Bilkay Öney (Grüne) am Freitag bei der Vorstellung der Studie, die vom Land in Auftrag gegeben worden war. Am stärksten schätzen die Nachfahren von Einwanderern aus dem ehemaligen Jugoslawien ihre deutsche Sprache ein. 79 Prozent sagen, ihre Sprachkenntnisse seien sehr gut. Die Nachfahren der türkischen Zuwanderer stehen schlechter da. Bei ihnen gehen nur 46 Prozent bei sich selbst von sehr guten deutschen Sprachkenntnissen aus – und damit sogar noch ein Prozent weniger als in ihrer Elterngeneration. Deutsch und die Herkunftssprache sollten aber nicht in Konkurrenz zueinander stehen, so Öney. Auch in der dritten Generation wird in 35 bis 55 Prozent der Haushalte sowohl Deutsch als auch die Sprache des Herkunftslandes gesprochen. Mit Freunden oder bei der Arbeit sprechen die meisten Migranten der zweiten und dritten Generation Deutsch.

Soziales

Nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund engagieren sich in Deutschland politisch. „Offenbar sind die Migranten genau so politikverdrossen wie die Deutschen“, sagte Öney. Dennoch: Einheimische engagieren sich doppelt so häufig politisch wie Migranten. Größer als die tatsächliche Einmischung, so ein weiteres Ergebnis der Studie, ist aber die Bereitschaft dazu. Was fehlt, sei die persönliche Ansprache. „Darin liegt ein großes Potenzial“, so Diehl.

Der Kontakt zu Einheimischen sei ein wesentlicher Träger der Integration, so die Sozialforscher. Nur drei Prozent der Befragten hätten gar keinen Kontakt zu Einheimischen, weder im Freundeskreis, noch in der Nachbarschaft oder bei der Arbeit. Vor allem in der dritten Generation geben die meisten befragten Baden-Württemberger mit Migrationshintergrund an, dass sie sowohl mit Einheimischen als auch mit anderen Zuwanderern Kontakt haben. Die Menschen mit türkischen Wurzeln geben am häufigsten an, ihre Freizeit überwiegend mit Menschen mit ausländischen Wurzeln zu verbringen (27 Prozent).

Diskriminierung

Deutschland ist ein einladendes Land. 75 Prozent der Befragten stimmen dieser Aussage zu. Von persönlicher Diskriminierung berichten nur wenige. Am stärksten sind hier die türkischen Einwanderer und ihre Nachfahren betroffen. So haben in der dritten Generation noch 35 Prozent das Gefühl, bei der Jobsuche und 32 Prozent bei der Wohnungssuche benachteiligt zu sein.

Allerdings sind 40 Prozent aller Befragten der Meinung, dass Personen mit ausländischen Wurzeln oft gegenüber Einheimischen benachteiligt werden. Das wiederum wirke sich auf die Motivation des Einzelnen aus, sagt Diehl, beispielsweise wenn es darum ginge, eine Wohnung in einem teureren Viertel zu beziehen oder einen höheren Bildungsabschluss anzustreben. Diejenigen, die sich benachteiligt fühlen, hatten mehrheitlich auch weniger deutsche Freunde. „Das zeigt, wie wichtig soziale Kontakte für die Integration sind“, so Diehl.

Einbürgerung

Von den 2,9 Millionen Baden-Württembergern mit ausländischen Wurzeln haben 1,6 Millionen die deutsche Staatsbürgerschaft. Rund jeder dritte Nachfahre von Einwanderern aus der Türkei und aus Italien hat sich nicht einbürgern lassen. Als Gründe dafür gaben die Befragten an, dass sie ohnehin als Ausländer behandelt würden, sich nicht als Deutsche fühlten oder ihre bisherige Staatsbürgerschaft nicht aufgeben wollten.

Dennoch: Die Mehrheit aller Befragten der Studie möchte dauerhaft in Deutschland bleiben. Allerdings wollen vor allem türkischstämmige gut ausgebildete Menschen auswandern, besonders die der dritten Generation. „Das sind vor allem junge Menschen mit akademischer Ausbildung“, sagte Gökay Sofuoglu, der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, unserer Zeitung. Die jungen Menschen fänden in Deutschland nicht so leicht Arbeit, die Türkei hingegen bemühe sich momentan sehr um die gut ausgebildeten Türkischstämmigen aus Deutschland.