Ein Flüchtling aus Somalia arbeitet in einem metallverarbeitenden Betrieb. Foto: dpa

Der Zuzug von Flüchtlingen stellt Deutschland vor große Herausforderungen. Die Meinungen, wie sie zu lösen sind, gehen weit auseinander.

Berlin - Kein Thema beschäftigt die Wähler mehr als das Thema Flüchtlinge, Asyl und Einwanderung. Bei einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Stuttgarter Zeitung und des SWR in Baden-Württemberg gaben 48 Prozent der Befragten an, dies sei die wichtigste politische Aufgabe der kommenden Jahre. Die Meinungen , wie die Aufgaben zu lösen sind, gehen weit auseinander. Einig sind sich die Parteien allenfalls darin, dass auch die Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpft werden müssen.

Wie sieht die Situation aus?

Mehr als fünf Millionen Menschen haben seit 1953 in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Einen historischen Höchststand erreichte die Zahl der Asylsuchenden 2015 mit 890 000 Personenen. Durch die Einführung von Grenzkontrollen innerhalb der EU, die Schließung der Balkanroute und das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei ist die Zahl der Neuankömmlinge in Deutschland deutlich zurückgegangen. 2016 kamen noch 280 000 Flüchtlinge, in den ersten acht Monaten dieses Jahres waren es knapp 123 900.

Asyl steht nach dem Grundgesetz nur Personen zu, die politisch verfolgt werden. Ihnen rechtlich gleich gestellt sind Flüchtlinge, die nach den Bestimmungen der Genfer Konvention aufgenommen werden – dabei werden auch Menschenrechtsverletzungen aufgrund von Rasse, Religion, sexueller Orientierung u.a. berücksichtigt. Asylberechtigte und Flüchtlinge erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre.

2015 und 2016 wurden rund 393 300 Personen als Flüchtlinge anerkannt, weiteren 165 400 Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt. Diesen können Menschen aus Krisengebieten ohne Chance auf Asyl oder Anerkennung aus humanitären Gründen erhalten, wenn in ihren Ländern aufgrund willkürlicher Gewalt in einem Krieg oder Bürgerkrieg eine ernsthafte Gefahr droht. Die Aufenthaltserlaubnis wird für ein Jahr erteilt und kann verlängert werden. Bei 265 360 Personen wurde der Antrag auf Asyl abgelehnt, viele von ihnen sind ausgereist oder abgeschoben worden.

Neben Flüchtlingen kamen 2015 auch rund 846 000 EU-Bürger und 99 000 ausländische Studienanfänger nach Deutschland. Zudem erhielten 82 440 Personen eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, 38 800 eine Arbeitserlaubnis.

Sind Obergrenzen möglich?

Über die Aufnahme von Flüchtlingen gibt es scharfe Auseinandersetzungen. Die CSU fordert seit langem eine Obergrenze von 200 000. Eine solche Festlegung widerspricht aus Sicht aller anderen Parteien außer der AfD dem Grundgesetz, weil es das Asylrecht antastet. CDU und CSU wollen ähnliche Abkommen wie das mit der Türkei auch mit afrikanischen Ländern schließen, um Schutzsuchende fernzuhalten, während die Linken das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei beenden, sichere Fluchtwege schaffen, ein Bleiberecht für alle gewähren und die Abschiebungen stoppen wollen. Die AfD hingegen will die Grenzen sofort schließen, auch durch Zäune.

Anerkannte Asylbewerber haben das Recht, ihre Familie nachzuholen. Um die Kommunen nicht zu überfordern, hat die Bundesdesregierung den Familiennachzug für Personen mit subsidiärem Schutz bis März 2018 ausgesetzt. Nach Ansicht der CSU sollte das auch darüber hinaus gelten, die Grünen halten das für ein großes Integrationshindernis.

Wer wird abgeschoben?

Der Bund hat Abschiebungen erleichtert, abgelehnte Asylbewerber, die als Gefährder eingestuft wurden, können leichter in Abschiebehaft genommen werden. Von den derzeit etwa 220 000 ausreisepflichtigen Personen haben viele eine Duldung, weil sie beispielsweise keine Papiere haben oder gesundheitlich angeschlagen sind. Etwa 60 000 Personen haben jedoch keinen Anspruch darauf, weiter in Deutschland zu bleiben. Abgelehnte Asylbewerber sollen Deutschland schneller wieder verlassen, darin sind sich alle außer den Grünen und Linken einig. Eine Abschiebung ist allerdings nur möglich, wenn die entsprechenden Länder als sicher gelten und die Betroffenen dort nicht gefährdet sind.

Welche Staaten gelten als sicher?

Seit 2014/15 gelten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien Montenegro und Serbien als sichere Herkunftsstaaten, Schutzsuchende aus diesen Ländern werden in der Regel zurückgeschickt. Aus Sicht von CDU/CSU, SPD und FDP sollten auch Algerien, Marokko und Tunesien zu solchen erklärt werden. Ein entsprechendes Gesetz, das der Bundestag 2016 verabschiedet hat, ist vor wenigen Wochen im Bundesrat gescheitert. Vier von den Grünen mitregierte Länder hätten für die Änderung stimmen müssen. Doch nur Baden-Württemberg signalisierte Zustimmung.

Vor fast einem Jahr hat Deutschland auch mit Afghanistan ein Rückführungsabkommen geschlossen. Nach einem Anschlag auf die deutsche Botschaft im Mai wurden Sammelabschiebungen vorübergehend eingestellt. Mitte dieser Woche wurden erstmals wieder Afghanen nach Kabul zurückgebracht. Bei ihnen soll es sich um Straftäter handeln.

Braucht Deutschland ein Einwanderungsgesetz?

Als immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kamen, erhofften sich Unternehmen und Verbände, den Fachkräftemangel in vielen Branchen decken zu können. Inzwischen hat sich allerdings gezeigt, dass nur ein Teil der Flüchtlinge über entsprechende Qualifikationen verfügt und dass etwa das Erlernen der deutschen Sprache oft länger dauert als erwartet. Um den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte besser steuern zu können, fordern SPD und Grüne ein Einwanderungsgesetz. Nach dem kanadischen Modell sollen dabei berufliche Abschlüsse, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, Alter und Integrationsfähigkeit berücksichtigt werden. Die Union hingegen plädiert für ein „Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz“, dass bestehende Regelungen zusammenfasst. Sie will nur Personen einreisen lassen, die einen konkreten Arbeitsplatz nachweisen und ihren Lebensunterhalt sichern können.

Was wird für die Integration getan?

Für Asylbewerber und andere Personen mit guter Bleibeperspektive gibt es Integrationskurse, in denen sie nicht nur die Sprache lernen, sondern auch alles Wichtige über ihre neue Umgebung lernen sollen. Schulpflichtige Kinder und Jugendliche besuchen zunächst eine Vorbereitungsklasse, wenn ihre Sprachkenntnisse ausreichen, den Regelunterricht. Nicht überall reichen die Angebote aus. Die Kommunen fordern mehr Unterstützung vom Bund und den Ländern.