Robin Williams in dem Film „Der Club der toten Dichter“ Foto: Disney

Keiner hat den traurigen Clown so verrückt-berückend gespielt wie Robin Williams. Er hat das Kino in seine Zirkusmanege verwandelt, in der das Tragische und das Komische oft ganz nah beieinander lagen. Am Montag ist der US-Schauspieler im Alter von 63 Jahren gestorben.

Stuttgart - Der pummelige Junge, der in der letzten Reihe der Detroit Country Day School in Bloomfield Hills sitzt, hat keine Freunde. Weil niemand mit ihm spielen will, unterhält er sich selbst. Er denkt sich ulkige Geschichte aus, macht mit verstellter Stimme solange Quatsch, bis die anderen lachen. Von nun an mimt ständig den Clown. Später werden sie in an der Highschool zum lustigsten Schüler des Jahrgangs ernennen, aber auch zu demjenigen, der die geringsten Chancen hat, einmal Erfolg zu haben. Der Junge ist Robin Williams. Und er wird immer der Klassenclown bleiben, der mit seinen Geschichten alle zum Lachen bringt.

Doch an diesem Montag ist das Lachen verstummt. Um 11.55 Uhr Ortszeit geht bei der Polizei in Tiburon, Kalifornien, ein Notruf ein. Fünf Minuten später erreichen die Sanitäter das Haus gegenüber der Golden Gate Bridge. Sie kommen zu spät. Um 12.02 Uhr erklären sie Robin Williams für tot. Die Polizei geht von Selbstmord aus. Der größte Spaßmacher Hollywoods lebt nicht mehr.

Robin Williams, der 63 Jahre alt wurde, stand in der Tradition der großen Kinoclowns, verkörperte in seinem Filmen eine ganz eigene komische Figur. Während Chaplin der Tramp, der unbeschwerte Harlekin war, und Buster Keaton den Stoiker spielte, der ungerührt all die Qualen erträgt, die zu Stummfilmzeiten ein Komiker über sich ergehen lassen musste, war Robin Williams der Clown des ADHS-Zeitalters. Er spielte die Quasselstrippe, den überdrehten Exzentriker, den nervösen kleinen Jungen, der sich in einem erwachsenen Menschen versteckt.

Dass Spielberg 1991 den damals 40-jährigen Robin Williams in „Hook“ Peter Pan spielen ließ, den Jungen, der nicht erwachsen werden will, war da nur konsequent. Ebenso, dass Williams 1982 als 31-Jähriger in der John-Irving-Verfilmung „Garp und wie er die Welt sah“ ganz selbstverständlich in die Rolle eines Teenagers schlüpfte. Auch später verlor er nie das Glitzern in seinen Augen, diese unbändige Einbildungskraft und wunderbar ansteckende kindliche Begeisterungsfähigkeit.

Und natürlich lagen seine Klassenkameraden mit ihrer Erfolgsprognose falsch. Der Mann, der in den 1990er Jahren zu den zehn Topverdienen in Hollywood zählte, begann in den 1970ern seine Karriere als Stand-up-Comedian, durfte früh in der TV-Show des von ihm so verehrten Richard Pryor auftreten, bekam schließlich 1978 mit „Mork vom Ork“ seine eigene TV-Sitcom – als Außerirdischer, der inkognito die Sitten der Menschen studiert. Schon damals trieb Williams seine Produzenten in den Wahnsinn, weil er ständig seinen Text änderte, wild drauflos improvisierte. Schließlich kapitulierten sie, verzichteten darauf, ihm überhaupt ein fertiges Drehbuch vorzulegen, ließen im Freiraum, schrieben statt Dialogen einfach Sätze wie „Mork can go off here“ – Mork kann hier loslegen – ins Skript und überließen Robin Williams die Manege.

Tatsächlich gleichen viele Robin-Williams-Komödien einer Ein-Mann-Zirkusshow. Das gilt für das missglückte Frühwerk „Popeye – Der Seemann mit dem harten Schlag“ (1980), über das Williams später sagte: „Wenn man den Film rückwärts abspielt, ergibt die Handlung durchaus Sinn.“ Aber auch für Barry Levinsons „Good Morning Vietnam“ (1987), mit Williams als Militär-DJ, die Verkleidungskomödie „Mrs. Doubtfire – Das stachelige Kindermädchen“ (1993), oder die Fernsehserie „The Crazy Ones“, in der Williams seit 2013 einen durchgedrehten Werbemanager spielte. Nur selten versuchte dieser große Spaßmacher in Filmen wie „One Hour Photo“ oder „Insomnia“ gegen seine komische Figur anzuspielen und das Psychopathische auszustellen, das manchmal hinter seiner Komik lauerte.

Und nicht nur seine Filme verwandelte er in großartige Zirkusvorstellungen. Wer ihn einmal in einem Interview erlebt hat, weiß, dass er die Rolle des Clowns auch dann spielte, wenn er nicht vor der Kamera stand. Und selbst die Berlinale, sonst eigentlich kein Ort ausgelassenen Gelächters, eignete er sich so an, verwandelte Pressekonferenzen in eine hysterische Comedy-Show, bei der sich selbst sonst eher mürrische Journalisten vor Lachen den Bauch hielten und fast vergaßen, Fragen zu stellen. So zum Beispiel 1998, als Robin Williams in Berlin das Drama „Good Will Hunting“ vorstellte, das ihm später einen Oscar als bester Nebendarsteller einbrachte. Williams freute sich übrigens so sehr über die Auszeichnung, dass er eine Oscar-Kopie an seinen deutschen Synchronsprecher Peer Augustinski schickte: „Danke, dass du mich in Deutschland berühmt gemacht hast“, schrieb er dazu.

Der Clown und Robin Williams schienen ein und dasselbe zu sein. In Wirklichkeit wusste man erschreckend wenig über ihn, nur, dass er ein Alkohol- und ein Kokainproblem hatte – „Kokain ist Gottes Art, dir zu sagen, dass du zu viel Geld verdienst“, hat er einmal gewitzelt. Erst jetzt, nach Williams Tod, wird bekannt, dass er seit längerer Zeit unter Depressionen litt.

Das Traurige und das Tragische waren aber immer schon Teil seiner Kunst des Lächerlichen gewesen. Besonders deutlich in Terry Gilliams Tragikomödie „König der Fischer“, die ihm ebenso eine Oscarnominierung einbrachte wie die Rolle des enthusiastischen Englischlehrers John Keating in Peter Weirs Melodram „Der Club der toten Dichter“ (1989), das dem Kino eine der rührendsten Szenen der Filmgeschichte beschert hat. Als Keating gezwungen wird, die Schule zu verlassen, klettern die Schüler einer nach dem anderen auf ihre Tische, um den Lehrer mit Walt Whitmans „Oh, Captain, mein Captain!“, zu verabschieden. Williams bleibt kurz an der Tür stehen, grinst, um nicht weinen zu müssen, und geht davon.

Robin Williams Ehefrau Susan Schneiders sagte am Dienstag: „Ich hoffe, dass Menschen, wenn sie sich an Robin erinnern, nicht an seinen Tod denken, sondern an die unzähligen Momente der Freude und des Lachens, die er Millionen beschert hat.“ Das hätte der kleine, dicke Junge aus Bloomfield Hills sicher genauso gesehen.