Fast mitleidig schaute Roger Moore auf junge Damen, die „Oh, James!“ hauchten Foto: ARD

Sein spöttischer Blick auf die Welt hat ihn stets größer erscheinen lassen, als er war. Dabei war Roger Moore auch mit einer gesunden Selbstironie gesegnet. An diesem Dienstag ist der James-Bond-Darsteller im Alter von 89 Jahren gestorben.

Stuttgart - Wenn ein süffisantes Grinsen Gestalt annehmen könnte, eine gewinnende anzügliche Bemerkung, ein zutiefst spöttischer Blick auf die Welt – die Wahrscheinlichkeit wäre nicht gering, dass sie aussehen würden wie Roger Moore. Der englische Schauspieler konnte wie ein perfekter Gentleman wirken und dabei jede seiner Regungen, seiner Gesten mit feiner Ironie aufladen.

In der Fernsehserie „Simon Templar“ (1962 bis 1969) entwickelte Moore die Kunstfigur des abenteuerlustigen Junggesellen bis zur Vollendung, in der Krimiserie „Die 2“ (1971 bis 1972) feilte er am Charakter eines steifen britischen Lords, der mit einem eher locker veranlagten amerikanischen Partner (Tony Curtis) Fälle lösen soll. Die komödiantische Reibung zwischen beiden funktionierte – ein seltener Fall – in der deutschen Synchronisation besser als im Original. Die Serie wurde abgesetzt, was sich für Moore als Glücksfall erwies, denn nun war er frei, die ihm angebotene Rolle seines Lebens anzunehmen: die des britischen Geheimagenten James Bond.

Zu den gern diskutierten Glaubensdingen gehört, wer der beste Bond-Darsteller sei; dabei müsste die Frage anders gestellt werden: Inwiefern haben die Produzenten der Bond-Reihe sich Darsteller ausgesucht und diese benützt, um Bond in eine neue Ära zu überführen? Der Schotte Sean Connery definierte die Rolle in den 60er Jahren, er machte aus Bond einen harten Kerl, dem die Drehbücher noch die eine oder andere Macho-Spitze gestatteten. Das wurde undenkbar, als die Kulturrevolution von 1968 die Welt veränderte. Connery hatte ohnehin gekündigt, und Bond konnte nur bestehen, wenn er den Zeitgeist geschmeidig aufnahm.

Moore die Rolle des James Bond viel weniger ernst als viele ihrer Anhänger

Genau das tat der Engländer Roger Moore. Er war schon 45, drei Jahre älter als Connery, und er versuchte gar nicht erst, in dessen Fußstapfen zu treten, sondern blieb ganz bei sich. Moore maskierte die Figur mit der Aura eines blasierten englischen Adligen und kultivierten Gentlemans, dessen gesamtes Auftreten keinen Zweifel daran ließ, dass er selbstverständlich ein Anwesen an der Côte d’Azur besitzen musste und dass sich überdies hinter dem nichtathletischen Äußeren ein Mann verbarg, der auch rennen, schlagen und schießen konnte. Diese listige Hochstapelei machte Moores Bond völlig zeitlos und ermöglichte ihm jenseits aller Korrektheit weiterhin alle Annehmlichkeiten, die der Geheimagent gerne genießt.

Es war offensichtlich, dass Moore die Rolle viel weniger ernst nahm als viele ihrer Anhänger. Für Bösewichte und Weltbeherrschungsfantasien hatte sein Bond kaum mehr als Verachtung übrig, fast schon mitleidig schaute er auf die nächste junge Dame, die sich ihm in die Arme warf und hauchte: „Oh, James!“ Dabei kam Moore entgegen, das der gesamte Ton seines ersten Einsatzes in „Leben und sterben lassen“ (1973) einen völlig anderen Tonfall hatte als frühere Bond-Abenteuer: Zwischen Vodoo-Zauber, Krokodilfarmen und Südstaaten-Provinzialität blieb dieser Agententhriller vor allem auch als Komödie mit hohem Slapstick-Faktor in Erinnerung – und als Bond-Film, in dem der Titelheld sich fast ausschließlich in ironischen Kommentaren äußert.

Nicht viel anders war das in „Der Spion, der mich liebte“ (1977). Da fährt Moore als Bond mit seinem Amphibien-Lotus aus dem Mittelmeer an den Strand. Während die Badegäste aufschrecken, öffnet er das Fenster und wirft einen Fisch hinaus mit einem unvergleichlich gelangweilten Gesichtsausdruck. Dabei kehrte dieser Bond-Film zurück zu früherer Größe, ein Supertanker und eine futuristische Meeresstation mit Haifischbecken gehörten ebenso zur Kulisse wie das antike Ägypten. Davor wirkten Moore und seine Filmpartnerin Barbara Bach als sowjetische Agentin in den Action-Szenen immer ein wenig so, als versuchten sie gerade, Action zu spielen.

Die Produzenten gaben Moore Gegner, die ihn unterlegen erscheinen ließen

Moore bezeichnete sich selbst einmal als „unheroisch in einem Ausmaß, das an schiere Feigheit grenzt“. Die Produzenten gingen offensiv damit um und gaben ihm Gegner, die ihn aussichtslos unterlegen und besonders trickreich erscheinen ließen: Dem Voodoo-Schergen mit der Eisenklaue in „Leben und sterben lassen“ (1973) knipst James Bond mit einer Manikürezange die Steuerungsdrähte der Armprothese durch, dem riesenhaften Beißer in „Der Spion, der mich liebte“ setzt er mit den blanken Kontakten einer zerschlagenen Lampe das Eisengebiss unter Strom.

In der Haudrauf-Komödie „Auf dem Highway ist die Hölle los“ (1981) nahm Roger Moore seine Bond-Rolle dann selbst auf die Schippe. Er wirkte herrlich deplatziert zwischen dem Action-Schnauzbart Burt Reynolds und den Rat Packern Dean Martin und Sammy Davis jr. Beim illegalen Autorennen fuhr er wie Bond einen Aston Martin, und er posierte mit angeblichen Karatekünsten, die hier schnell entzaubert wurden.

Nur an Alain Delon sahen cremefarbene Hosen und Stiefeletten besser aus

Nicht nur sein trockener Humor brachte Roger Moore geschmeidig durch die extravaganten 70er Jahre, er trug auch mit Bravour, was nicht jeder tragen kann: Cremefarbene Hosen und Stiefeletten sahen nur an seinem Schauspieler-Kollegen Alain Delon besser aus. Anders als Connery aber klammerte sich Moore an James Bond. Mit sieben Filmen hält er den Rekord, wenn man Connerys Auftritt im aus der Reihe produzierten „Sag niemals nie“ (1982) nicht einrechnet. Der Preis: Bond wirkte nie gebrechlicher als der 57-jährige Moore in „Im Angesicht des Todes“ (1985). Auch jenseits seiner Paraderolle hatte er sich versucht, im Edelmetall-Drama „Gold“ (1974) etwa oder in den Kriegsfilmen „Die Wildgänse kommen“ (1978) und „Die Seewölfe kommen“ (1980); der Erfolg war nicht vergleichbar.

An diesem Dienstag ist Roger Moore in Crans Montana in der Schweiz im Alter von 89 Jahren gestorben. Er geht in die Filmgeschichte ein als Mann, den ein süffisantes Grinsen, eine gewinnende anzügliche Bemerkung oder ein zutiefst spöttischer Blick auf die Welt sich vielleicht aussuchen würden, wenn sie Gestalt annehmen könnten.