In Dresden als Ralf Winkler geboren: A.R. Penck Foto: dpa

Er benutzte den Namen eines Eiszeitforschers und wurde mit Bildern, die bewusst „Weltmodelle“ der Höhlenmalerei zitieren, international bekannt. Am Dienstag ist der Maler A.R. Penck in Zürich gestorben. Ein Nachruf.

Stuttgart - Als er 1987 nach Stuttgart kommt, ist er ein Star der internationalen Kunstszene. Unumschränkt und doch zugleich argwöhnisch beobachtet: Ralf Winkler, den seinerzeit alle nur unter einem seiner vielen Pseudonyme kennen: A. R. Penck. Was meint der 1980 in die Bundesrepublik übergesiedelte Dresdner ernst, was ist Ironie? Sind seine linearen Figurationen eher Antikunst oder doch ein Impuls, Zeichnung und Malerei als Forschungsarbeit zu betreiben?

Entdeckt und begleitet durch Michael Werner

Penck, entdeckt einst und begleitet bis zuletzt durch den Kölner Galeristen Michael Werner, stellt in der Galerie Ursula Schurr aus. Binnen Minuten treibt er der Eröffnung alles Erhabene aus. Penck macht Musik, spricht Texte und Gedichte – macht den Abend zur Performance. Penck hat Spaß – warnt aber vor „geistigem Stillstand“.

Ist das der Künstler, der nahezu überall präsent ist, dem im Kanon der auch den T-Shirt-Absatz beflügelnden „Bunt ist Jetzt“-Gesänge der 1980er Jahre eine feste Stimme zugeordnet ist?

Erinnerungen an das brennende Dresden

„Verbrannter Honig“ heißt ein Bild von 1974, eine dunkel gehaltene Szenerie, in der sich symbolisch Erinnerungen an die Bombardierung Dresdens mit einem eigens entwickelten Alphabet zu „Systemen möglichen Verhaltens“ und Koordinaten einer unter dem Begriff „Standard“ summierten Forschungsarbeit verbindet. Auch Elemente jüdischen Alttagslebens sind zu finden. „Verbrannter Honig“ ist ein gemaltes Fanal – und gerade in diesen Tagen bekommt parallel ein Satz Pencks von 1981 neue Aktualität. „Wenn der Westen auf halbem Wege stehenbleibt mit der Zivilisation, wie der Osten auf halbem Wege stehengeblieben ist mit der Revolution, so wird jeder Fortschritt, mit dem Gegenbild belastet, seinen Impuls und seine Kraft verlieren; solange, bis das Alte mit der Kraft des Irrationalen die Macht ergreift.“

Kunst als umfassende Sprache

Die Kunst als umfassende Sprache ist für Penck, der seinen Namen von dem Eiszeitforscher und Geologen Albrecht Penck (1855-1945) entlehnt, also keineswegs eine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit. Eine Kunsthochschule besucht er nicht, zum Künstler erklärt er sich schon in den frühen 1950er Jahren dennoch und finanziert sein Schreiben, Malen, Zeichnen und plastisches Arbeiten unter anderem als Zeitungsausträger. Mitte der 1970er Jahre zweifelt Penck, 1972 von Harald Szeemann zu dessen Weltkunstausstellung Documenta V und deren zentralem Thema „Individuelle Mythologien“ eingeladen (eine Reiserlaubnis verweigert die DDR), am Erfolg seines systemischen Programms. Er bricht aus – die Realität bekommt in Arbeiten, die Ralf Winkler nun mit (Y), TM und Mike Hammer signiert, neues Gewicht.

Doch Penck fängt sich rasch wieder. 1978 notiert er: „Man kann Angst haben. Angst vor der Angst haben und das durch Aktivitäten überwinden. Was ich weiter interessant finde: Ein Künstler braucht nicht mehr von der Intuition abhängig zu sein, auch der Logik kommt eine wichtige Rolle zu.“

Der Erfolg überdeckt die Tiefe von Pencks Werk

Der Gegenwartskunst-Boom der 1980er Jahre begräbt diesen zentralen Gedanken- und Werk-Teil in Pencks Schaffen unter der Erfolgswelle, übersättigt aber durch eine einseitige Ausrichtung auf Pencks archetypische Figuration den Markt. Mitte der 1990er Jahren wird es stiller um A.R. Penck, gerade so, als würden seine künstlerischen Forschungen über die „Eiszeit“, sprich den Kalten Krieg, nicht mehr in den ständigen Aufbruch passen. Ein Trugschluss, der nun ohne den Künstler selbst korrigiert werden muss – am Dienstag ist Ralf Winkler, ist A.R. Penck in Zürich im Alter von 77 Jahren gestorben.