Junges Glück: Christine Kaufmann mit Hollywood-Star Tony Curtis, ihrem ersten Ehemann. Foto: AP

Die nun 72-jährig in München Gestorbene hat in Deutschland Filme und Fernsehen gemacht, Kosmetik verkauft und von ihren Wiedergeburten geträumt. Unter dem Strich sei das ein beglückendes Leben gewesen, fand sie.

Stuttgart - Tony Curtis galt mal als einer der schönsten Männer Hollywoods, als unwiderstehlicher Verführer. Eine Frau, die sich an Curtis’ Seite zeigen durfte, wurde mithin als eine der begehrenswertesten der Welt gesehen. Eine, der dieser Ich-kann-sie-alle-haben-Hallodri den ehelichen Treuschwur leisten würde, war eigentlich unvorstellbar. Aber 1963 widerfuhr dieses Glück der gerade mal achtzehn Jahre alten deutschen Schauspielerin Christine Kaufmann. Das Anstecken des Rings wurde zum Gipfel ihres Ruhms und zum Bruchpunkt ihrer Karriere.

Christine Kaufmann, die am 27. März im Alter von 72 Jahren in einem Münchner Krankenhaus gestorben ist, war im kollektiven Gedächtnis mindestens so sehr mit Klatschblattgeschichten und Werbespots für sanfte Hautseife verankert wie mit ihrer Film- und Fernseharbeit. Dabei hatte alles ganz anders angefangen, war dieses Leben umknistert von Zeitgeschichte.

Keine für die Kittelschürze

Ihre Mutter war eine französische Maskenbildnerin, ihr Vater Offizier der Hitler-Armee gewesen. Die am 11. Januar 1945 in Österreich geborene, in München Aufgewachsene schrieb später über sich selbst: „Ich bin ein Malheur, das Ergebnis eines Fronturlaubs“. Als sie dann aber Kinderstar wurde, als 1954 ihr fünfter Leinwandauftritt in Harald Reinls Johanna-Spyri-Verfilmung „Rosen-Resli“ Massen lockte, brachte Kaufmanns Kinderlächeln das Selbsthypnoseprojekt des deutschen Unterhaltungskinos auf den Punkt: Wir wissen von nichts, können uns an nichts erinnern, waren nicht dabei, sind unvorbelastet.

Aus dem schlimmsten Mief des deutschen Nachkriegskinos, in den sie hineingeraten war, wuchs sie auch wieder heraus. Schmuck und proper sollten die feschen jungen Damen des Spießerkinos schon sein, aber bloß nicht zu sinnlich, zu wenig vorstellbar in der Kittelschürze der künftigen Hausfrau. Kaufmann aber entwickelte genau jenen strahlenden, die Konvention beiseite wischenden Sexappeal, der die Kamera an die großen Stars bindet.

Aufstieg und Niederlage

Darauf wurden auch internationale Produzenten aufmerksam, und so kam es 1961 zur deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit „Stadt ohne Mitleid“. An der Seite von Kirk Douglas spielte Kaufmann das deutsche Mädchen, das von amerikanischen Besatzungssoldaten vergewaltigt wird, was ihr Hass und Verachtung einer bigotten Kleinstadt zuzieht. Nach diesem sich beherzt mit deutscher und amerikanischer Selbstzufriedenheit anlegenden Film von Gottfreid Reinhardt schienen Paul Mays „Via Mala“ und selbst J. Lee Thompsons „Taras Bulba“ nur Zwischenstationen zu sein. Lag da nicht Größeres in der Luft?

Aber das Größere war dann die Heirat mitCurtis. Ein paar eher flaue Filme drehte sie noch, dann zog sie sich aufs Leben als Hausfrau und Mutter zweier Töchter zurück. Nach fünf Jahren jedoch war die Ehe zu Ende und in Hollywood kein vernünftiges Angebot mehr zu bekommen. Dass Kaufmann nach Deutschland zurückkehrte, hatte Züge einer Niederlage.

„Damaged goods“ nennen die Angelsachsen ruppig realistisch Menschen, in deren Biografien es Knicke gibt, angestoßene Ware also. Genau an solchen Figuren hatten die neuen, konfliktfreudigen Autorenfilmer Interesse, die in Deutschland gegen Opas Kino rebelliert hatten. Im Fall von Kaufmann aber wohl nicht genug Interesse. Werner Schroeter drehte „Der Tod der Maria Malibran“ und „Willow Springs“ mit ihr, aber Schroeter hatte keine Reichweite, er war ein kunstmätzchenzickiger Avantgardeposeur. Rainer Werner Fassbinder hätte ganz anderes für Kaufmann tun kann, er besetzte sie in „Welt am Draht“ (1973), „Lili Marleen“ und „Lola“ (beide 1981), aber nur in Nebenrollen. Kaufmann war in jenen Jahren immer präsent, aber nie fest im Sattel.

Eine Frau der Widersprüche

In seiner großartigen TV-Serie „Monaco Franze“ hat Helmut Dietl1983 Christine Kaufmann dann großartig gegen das Vamp-Klischee besetzt, als pseudoschicke, in die eigene Gehemmtheit verstrickte, zwischen dem Schüchternen und Überspannten, dem Giftigen und dem Hilflosen, dem Mondänen und dem Muffigen pendelnde Angestellte einer Antiquitätenhändlerin. Dietl ist der Unentschiedenheit von Kaufmann nahe gekommen: der Frau, die eigene Kosmetik vertrieb, aber nicht nur als Mischung aus hübschem Gesicht und kurvenreicher Figur wahrgenommen werden wollte; der Esoterikerin, die vom Wert der Kunst und von ihren Wiedergeburten sprach, aber dann doch wieder zur Unverzichtbarkeit hingebungsvoller Hautpflege abschweifte; der viermal Verheirateten, die nun eine große Zerbrechlichkeit vor die Kamera bringen konnte, gar den Eindruck, sie sei bereits mehr als einmal aus verstreuten Teilen wieder zusammengefügt worden, die aber Gastauftritte in deutschem Krimiserienmumpitz absolvieren musste.

Immerhin, sie selbst hat ihre Widersprüche auf ihrem Blog im März 2016 viel positiver zusammengefasst: „Es freut mich, in diesem wirklich ungewöhnlichen Leben immer auch das Normale geschätzt, geliebt und verehrt zu haben.“