Im Kindergarten werden bald auch mehr Männer arbeiten. Foto: dpa

Die neue praxisintegrierte Ausbildung macht die Arbeit in Kindergärten zunehmend auch für Männer attraktiv. Der Erzieherberuf muss aber weiter aufgewertet werden, fordern Experten

Stuttgart - Erzieherinnen und Erzieher sind sehr gefragt. Viele Kommunen und andere Kindergartenträger haben noch jede Menge offene Stellen – laut Kultusministerium fehlen landesweit derzeit 8000 Fachkräfte. Die Stadt Stuttgart schreibt jetzt schon ihre Ausbildungsplätze für das nächste Jahr aus – und ist bereit, deutlich mehr zu investieren als in früheren Jahren. Denn wer die neue, praxisintegrierte Ausbildung (Pia) absolviert, wird dafür – anders als bei der herkömmlichen schulischen Vollzeitausbildung – auch von Anfang an bezahlt. Die monatliche Vergütung in der Landeshauptstadt liegt derzeit je nach Ausbildungsjahr zwischen 833 und 929 Euro brutto, im nächsten Jahr wird sie um 20 Euro angehoben.

2012 hat Grün-Rot die neue Ausbildung eingeführt, um den Erzieherberuf für eine größere Zielgruppe interessant zu machen. Das war aus Sicht des Kultusministeriums zwingend notwendig: Nach dem mittelmäßige Abschneiden Deutschlands bei internationalen Schülervergleichen wie der Pisa-Studie richtete sich der Blick auch auf die vorschulischen Einrichtungen – der Ruf nach besserer Frühförderung wurde laut. In dem 2005 beschlossenen Orientierungsplan der Landesregierung für die Kindergärten wurde neben Betreuung und Erziehung auch die Bildung als Aufgabe festgelegt.

Das Ziel, den Beruf attraktiver zu machen, ist aus Sicht von Kultusstaatssekretärin Marion von Wartenberg gelungen. „Pia spricht viele Bewerberinnen und Bewerber mit Abitur, Fachhochschulreife oder mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung an“, sagt sie. Darunter seien auch deutlich mehr Menschen mit Migrationshintergrund – und mehr Männer. 16 Prozent der Auszubildenden sind Männer, bei der herkömmlichen schulischen Vollzeitausbildung sind es drei bis vier Prozent. 2012 starteten 577 Auszubildende mit Pia, 2013 waren es 1223 und in diesem Jahr sind es 1416.

Positiv bewertet von Wartenberg auch die größere Altersmischung – etwa zehn Prozent sind unter 18 Jahre alt, gut 15 Prozent über 30. „Sie ist eine große Bereicherung, da die angehenden Erzieherinnen und Erzieher die Vielfalt der Lebenswelten widerspiegeln und sich mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen in den Kitas einbringen“, sagt sie.

Die große Kunst besteht allerdings nicht nur darin, motivierte Auszubildende in ausreichender Zahl zu finden. Viele Einrichtungen tun sich schwer damit, ihre Mitarbeiter über längere Zeit zu halten. Die Fluktuation ist nicht nur deshalb hoch, weil viele Frauen aussteigen, wenn sie selbst Kinder bekommen. Auch die Belastungen nehmen zu. Wegen des Ausbaus der Kleinkindbetreuung und der Ganztagsangebote und des damit einhergehenden Fachkräftemangels sind mehr Überstunden nötig, teilweise ist auch Schichtarbeit gefordert, sagte die Jenaer Personalberaterin Anke Mahlau kürzlich beim Zukunftskongress für Bildung und Betreuung „Invest in Future“ in Stuttgart. Auch die fachlichen Anforderungen wachsen stetig. Erzieherinnen sollen die vielfältigen Erwartungen von Eltern und Gesellschaft erfüllen – etwa rechtzeitig erkennen, ob sich Kinder altersgemäß entwickeln oder besonderen Förderbedarf haben.

Wenig hingegen tut sich bei der Bezahlung – viele Träger verweisen auf leere Kassen. Auch die Absolventen der Studiengänge für Frühpädagogik, die vor einigen Jahren an Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen eingerichtet wurden, um die frühkindliche Bildung voranzubringen, werden selten entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt und bezahlt, kritisiert Dagmar Schorsch-Brandt von der Gewerkschaft Verdi. Ähnlich ist es bei Fachkräften aus anderen Gebieten. Dabei können Mitarbeiter aus unterschiedlichen Lebensbereichen den Kindern guttun, sagt Sigrid Riedinger vom Jugendamt Stuttgart. „Je mehr die Einrichtungen für Kinder zum Lebensraum werden, desto wichtiger ist es, dass der Alltag in die Einrichtungen geholt wird.“