Knast in Bruchsal: Mehrere Unzufriedene und ein ungeklärter Todesfall Foto: dpa

Atempause für den Justizminister: Der Protest von Häftlingen in Bruchsal ist zu Ende. Doch es gilt noch die Umstände aufzuarbeiten, unter denen zuvor ein Gefangener dort gestorben war.

Stuttgart/Bruchsal - Der seit rund zwei Wochen andauernde Hungerstreik mehrerer Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal ist beendet. Alle Gefangenen würden seit Samstag „die Anstaltskost wieder annehmen“, sagte eine Sprecherin des baden-württembergischen Justizministeriums am Montag auf Anfrage unserer Zeitung.

Bis zu 16 der insgesamt 320 Häftlinge in Bruchsal hatten seit Anfang September in wechselnder Besetzung Mahlzeiten abgelehnt. In einem anonymen Schreiben an die Gefängnisleitung wurden unter anderem die Essensqualität und die Höhe der Telefongebühren beklagt.

Seit vergangenem Mittwoch waren es laut der Ministeriumssprecherin nur noch zwei Häftlinge, die die Nahrungsaufnahme teilweise verweigerten. Der Sprecherin zufolge hat die Gefängnisleitung zumindest gegenüber einem Häftling Zugeständnisse gemacht: Er wurde in ein anderes Stockwerk verlegt, weil er offenbar mit dem für ihn zuständigen Personal nicht klarkam. „Es gab wohl Unstimmigkeiten, was die Bediensteten angeht, mit denen er in seinem Bereich zu tun hatte“, so die Ministeriumssprecherin. Durch die Verlegung wolle man dem Häftling nun einen „Neuanfang“ ermöglichen.

Der zweite Häftling, der zuletzt noch protestiert hatte, tat dies den Angaben zufolge wegen eines fehlenden Möbelstücks: „Er wollte ein Regal in seinem Haftraum haben“, so die Ministeriumssprecherin. Dieses Regal habe er auch beantragt, was völlig legitim sei. Bei der Bearbeitung des Antrags sei es allerdings zu Verzögerungen gekommen. „Darum hat man sich jetzt gekümmert“, so die Sprecherin. Ob es weitere Zugeständnisse auch gegenüber den anderen protestierenden Gefangenen gab, konnte sie nicht sagen.

Hungerstreiks, die länger als eine Woche dauern, müssen im Land dem Justizministerium gemeldet werden. Einschließlich des Protests in Bruchsal haben die 17 Haftanstalten in Baden-Württemberg dieses Jahr insgesamt sechs solcher Vorkommnisse nach oben gemeldet. Im vergangenen Jahr gab es in den Gefängnissen im Land acht Hungerstreiks. Die jüngste Protestaktion in Bruchsal erregte deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil in derselben Haftanstalt am 9. August ein stark abgemagerter Häftling tot in seiner Zelle aufgefunden worden war – nach längerem Hungerstreik und Einzelhaft. Anschließend ging – womöglich von einem JVA-Bediensteten – bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe eine anonyme Strafanzeige ein, der zufolge der Staat in diesem Fall seine Fürsorgepflicht verletzt haben soll. Der Gefängnisdirektor wurde daraufhin vom Dienst suspendiert, gegen zwei weitere Mitarbeiter der JVA prüft das Ministerium nach eigenen Angaben rechtliche Schritte.

Ob der Häftling tatsächlich im Gefängnis verhungert ist, ist noch immer unklar. Der Sprecher der Karlsruher Staatsanwaltschaft sagte, eine erste Obduktion habe keine Klarheit über die Todesursache gebracht. Nun warte man auf eine weitergehende Untersuchung durch das Rechtsmedizinische Institut der Universität Heidelberg, bei dem auch geklärt werden soll, ob der Häftlinge womöglich vergiftet wurde.

Der gestorbene Häftling war 2012 zu zehn Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt worden. Laut Landgericht Offenburg hatte er seine Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung in Kehl im Streit erstochen. Im Gefängnis soll der Häftling eine Art von Verfolgungswahn entwickelt haben. Er griff mehrere Gefängniswärter zum Teil brutal an, wurde mehrfach verlegt und landete schließlich in einer Einzelzelle in Bruchsal.

Der Tod des Häftlings wird auch ein parlamentarisches Nachspiel haben. Sowohl CDU als auch Grüne haben angekündigt, von Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) Aufklärung zu verlangen.

An diesem Dienstag sind der Tod des Häftlings sowie der Hungerstreik auch Thema in der ersten Kabinettssitzung nach der parlamentarischen Sommerpause. Stickelberger will gegenüber Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seinen Ministerkollegen mündlich Bericht erstatten. Viel Neues über den Tod des Häftlings wird er wohl nicht zu erzählen haben, da aus Heidelberg das Ergebnis der erweiterten Obduktion noch nicht da ist. Dieses Ergebnis hätte auch die Staatsanwaltschaft gerne: „Wir machen Druck“, so der Sprecher der Behörde.