Die angebliche Gier in der Premier League ist vielen Fans ein Dorn im Auge. Foto: Getty

Bei den Fans aus der Premier League wächst der Unmut. Die billigste Dauerkarte bei Arsenal London etwa kostet rund 1400 Euro. Doch die Vereine werden wohl nicht an der Preisschraube drehen – trotz des Spielraums, der durch den TV-Vertrag entsteht.

London - Vor kurzem enthüllten Fans des englischen Erstligisten Crystal Palace ein Transparent. Es zeigte einen mürrisch dreinblickenden Mann, dem ein Schweinskopf aufgesetzt wurde und der mit Messer und Gabel vor einem Trog voller Geldnoten sitzt. Darunter stand in schwarzen Lettern: „5 Milliarden Pfund im Topf, trotzdem werden die Fans ausgebeutet.“

Das Protestbanner spielte auf den lukrativen TV-Rechte-Deal an, der den Clubs der Premier League von 2016 an pro Spielzeit rund 2,3 Milliarden Euro aus nationalen Senderechten einbringen wird.

Die fast schon unersättlichen Fußballclubs, so die Kritik, baden gierig in Millionen – die Fans dagegen müssen immer mehr Geld für Ticketpreise berappen. Die günstigste Dauerkarte bei Arsenal London etwa kostet 1014 Pfund – das sind rund 1400 Euro. Für die Fans geht bisweilen ein ganzes Monatsgehalt drauf. Der durchschnittliche Preis für die jeweils günstigste Dauerkarte in der Premier League beträgt immer noch 508 Pfund. Die billigste Tageskarte beim FC Chelsea an der Stamford Bridge schlägt mit 50 Pfund zu Buche. Wer die Blues sehen will, muss tief in die Tasche greifen.

Zum Vergleich: 1989 lag das billigste Ticket für ein Heimspiel von Manchester United bei 3,50 Pfund. Inflationsbereinigt sind das knapp sieben Pfund. Heute kostet das billigste Ticket 36 Pfund, also mehr als das Fünffache des damaligen Preises. Laut britischen Medienberichten sind die Eintrittskarten in den letzten zwei Dekaden um 1000 Prozent gestiegen. Die Fans haben deshalb die Nase voll – und machen ihrem Ärger Luft.

In einer Petition fordert die Football Supporters’ Federation im Verbund mit mehreren Fanclubs, dass die Ticketpreise für Auswärtsspiele auf 20 Pfund gedeckelt werden und ein Teil der TV-Einnahmen (eine Million Pfund pro Club) dazu verwendet wird, die Stadiontickets zu subventionieren.

Zuschauerzahlen dennoch auf einem Rekordhoch

Doch trotz zahlreicher Proteste sind die Zuschauerzahlen auf einem Rekordhoch. Die Fans, so scheint es, haben ihren Ärger irgendwie heruntergeschluckt. In einem Manifest hat David Goldblatt vom „Football Action Network“ noch einmal die (kulturpolitische) Bedeutung des Fußballs in England unterstrichen: „Er (der Fußball) ist eines der wichtigsten öffentlichen politischen Theater geworden, ein Drama, dessen Besetzung, Plot und Katastrophen die breiten Veränderungen in der britischen Wirtschaft, Politik und Kultur gespiegelt haben. (. . .) In Abwesenheit einer lokalen Regierung sind die Fußballclubs einer der wichtigsten Träger urbaner Identitäten, die Stadien sind für unser Zugehörigkeitsgefühl wichtiger als Rathäuser oder Shopping-Malls.“

Goldblatt geht noch weiter und fordert, dass die Premier-League-Teams ihren Angestellten den Mindestlohn bezahlen müssen. Das tut bislang nur der FC Chelsea. Es sei nicht nachvollziehbar, warum FC United of Manchester und Dulwich Hamlet sechs Ligen tiefer ihren Mitarbeitern das Existenzminium gewähren, während große Vereine wie Manchester United ihre Angestellten untertariflich entlohnen. Zudem müssten die Gewinne in der Premier League über eine Steuer abgeschöpft werden.

Der Milliarden-TV-Deal jedenfalls hat Begehrlichkeiten geweckt und die Frage aufgeworfen, wer welchen Teil vom Kuchen abbekommt. Liga-Boss Richard Scudamore versuchte den aufkommenden Verteilungskonflikt zu zerreden und verwies das Thema an die Politik. Die reagierte prompt. Mitten im Wahlkampf lancierte Labour die Forderung, die Clubs sollten fünf Prozent der TV-Einnahmen in „Graswurzel-Projekte“ investieren.

Auf die Frage, ob er sich unwohl fühle, wenn ein Spieler eine halbe Million Pfund pro Woche verdiene, der einfache Vereinsbedienstete dagegen nur am Existenzminium kratze, sagte Liga-Chef Scudamore lakonisch: „Nein, das bereitet mir kein Unbehagen.“ Die Realität sei, wie in der Film- und Popindustrie, dass Talente eine „disproportional hohe Summe“ einstreichen. Nicht er, sondern der Markt setze den Preis. Für die Fans klangen die Einlassungen wie Hohn.

Die Experten glauben nicht, dass die Premier-League-Teams die Mehreinnahmen an die Fans in Form niedriger Eintrittspreise weitergeben. Richard Barham, Partner der Wirtschaftskanzlei Dentons in London, sagt auf Anfrage: „Die Realität ist, dass ein großer Teil des Geldes in Transferablösen und höhere Gehälter fließt. Unter dem Financial-Fair-Play-Regime müssen die Clubs gleichzeitig ihre operativen Ausgaben an die Einnahmen anpassen. Ein Schlüsselelement der Einnahmen sind die Erlöse beim Ticketverkauf. Die Vereine wollen diese Zahl erhöhen, nicht senken.“

Ein Premier-League-Club, der jede Woche sein Stadion mit einer Kapazität von 40 000 Plätzen zu Preisen zwischen 40 und 50 Pfund füllen könnte, werde nicht an der Preisschraube drehen. Doch wer kann sich den Stadionbesuch noch leisten? „Manche argumentieren, Fußball sei bereits ein Luxusprodukt“, sagt Experte Barham. „Ein Vater, der seine Kinder zu einem Premier-League-Match nach London nimmt, würde 200 Pfund ausgeben, wenn man Essen und Trinken mitrechnet.“ Fußball müsse man sich leisten können. „Einige Fans gehen zwar noch zu Spielen, aber häufig in unterklassigen Ligen“, erzählt Barham. Die Schmerzgrenze sei überschritten. Wenn die Vereine ihre Preispolitik nicht überdenken, könnten sich die Reihen in den Fankurven lichten.