Reduzierung der heute 47 auf nur noch sieben Zonen bringt "zu niedrige Preise" und würde "zu Ungerechtigkeiten führen"

Stuttgart - Der Verkehrsverbund Stuttgart will im November über ein wesentlich einfacheres Tarifsystem debattieren. Die Reduzierung der bisher 47 auf nur noch sieben Tarifzonen würde laut Gutachten Einnahmeverluste von fünf Millionen Euro auslösen. Um sie auszugleichen, müssten die Fahrpreise um 1,4 Prozent steigen.

Das Gutachten, das unserer Zeitung vorliegt, vergleicht die Tarifsystematik von elf deutschen Großstädten und dem Züricher Verkehrsverbund. Untersucht und gegenübergestellt wurden die Ertragskraft der Tarife, ihre Leistungsgerechtigkeit und die Überschaubarkeit sowie die Auswirkung von Veränderungen im VVS. Im Vergleich zu anderen Verbünden existierte beim Stuttgarter Verbund angesichts dessen Größe eine "angemessene Zahl an Tarifzonen", urteilen die Gutachter der Probst & Consorten Marketing-Beratung.

Der VVS deckt ein 3000 Quadratkilometer großes Gebiet ab, in dem 2,4 Millionen Menschen wohnen. Er ist damit im Vergleich einer der kleinsten Zusammenschlüsse, nur im Großraum Zürich und Hannover befahren Busse und Bahnen ein noch kleineres Gebiet.

Der frühere VVS-Geschäftsführer Günter Mötsch hatte 1998 eingeräumt, dass das Stuttgarter Tarifsystem "zu kompliziert" und reformbedürftig sein. Die Gutachter schließen sich dieser Einschätzung nicht an und äußern sich zu möglichen Veränderungen mehr als verhalten.

Die Zahl der Zonen sei hier "nicht übermäßig hoch", schreiben Probst & Consorten. Trotz der "recht groben Einteilung" werde "durch einheitliche Grundsätze in gewissem Maß Tarifgerechtigkeit sichergestellt". Ein Maß für diese Gerechtigkeit sind gleiche Preise für gleiche Entfernungen, die jeweils vom "Tarifmittelpunkt" Hauptbahnhof aus errechnet werden. So reicht die erste Zone (1,95 Euro) in der Regel vier Kilometer weit. Die zweite (2,40 Euro) reicht bis zehn, die dritte bis 17, die vierte bis 24 Kilometer. Im Vergleich schnitten der Zonenplan und die Systematik der Preisbildung gut ab.

Bei einer möglichen Vereinfachung von 48 Flächenzonen auf sieben Ringzonen würden viele Verbindungen für den Fahrgast günstiger werden. Die Gutachter warnen dennoch davor. Denn diese Vergünstigungen würden in der Region "nicht zu ausreichenden Fahrgastzuwächsen führen, da sich die Preisoptik prinzipiell nicht ändert".

Außerdem würden "zu niedrige Preise der Tangentialverbindungen zu Ungerechtigkeiten führen". Letztlich müsste der Verlust von fünf Millionen Euro durch Preiserhöhungen ausgeglichen werden. 2008 erlöste der VVS 364,8 Millionen Euro und erreichte damit 57 Prozent Kostendeckung. Die Marke gilt als Dogma. Die Ringstruktur würde daher rechnerisch eine Preiserhöhung von 1,4 Prozent nach sich ziehen.

Nicht errechnet haben die Gutachter, was die Zusammenlegung der Zonen 10 (Stuttgart City bis Kesselrand) und 20 (Stuttgarter Außenbezirke) kosten würde. Alle anderen Großstädte kennen im Stadtgebiet nur eine Zone. Das Ticket kostet 1,90 (Nürnberg) bis 2,70 Euro (Hamburg). Die Einheitszone in Stuttgart brächte "eher Nachteile", urteilen die Gutachter ohne Kenntnis der Kosten.

Das Fazit der Gutachter fällt für den, der sich eine Vereinfachung erhofft, ernüchternd aus . Die heute vorhandenen Sektoren böten "gute Gelegenheiten, insbesondere die neue Qualität des S-Bahn-Ausbaus gerecht und ergiebig zu bepreisen", heißt es. Dann folgt Gutachterlyrik: "Die VVS-Strategie setzt auf die behutsame Weiterentwicklung der Tarife und eine weitere Anpassung der vertrieblichen Tarifkommunikation, um die wahrgenommene Übersichtlichkeit zu verbessern".

Das Gutachten ist dem VVS-Aufsichtsrat bisher nicht vorgestellt worden. Bis zur Besprechung im November müssten die Berechnungen verfeinert werden, sagt VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger auf Anfrage. Dann sei klar, was ein Einheitstarif für Stuttgart koste. Die im Aufsichtsrat gestellte Frage nach größeren Zonen sei zwar "legitim", Preiserhöhungen sollten aber eher in den weiteren Netzausbau und in "konkrete Leistungsverbesserungen" fließen. Im neuen Nahverkehrsplan ließen sich dazu viele Wünsche finden, sagt Hachenberger.