In „Fear the Walking Dead“ Foto: Verleih

Amazon streamt ab dieser Woche die zweite Staffel von „Fear the Walking Dead“. Die Zombies sind allerdings wie in der Mutterserie „The Walking Dead“ nur noch eine lästige Nebengefahr. Die Menschen müssen sich am meisten vor den anderen Menschen fürchten.

Stuttgart - Wie die Welt in ein paar Jahrzehnten aussehen wird, wagt sich kaum jemand vorzustellen, der die Veränderungen der jüngeren Zeit miterlebt Nur eine Zukunftsvariante haben immer mehr Menschen lebhaft vor Augen: die große Zombie-Seuche. In dieser unfeinen Variante des Fortschritts sind kaum noch normale Menschen übrig. Die meisten Ex-Menschen haben sich in lebende Leichname verwandelt, die in den Trümmern der Zivilisation umherwanken, immer begierig, die restlichen Lebewesen mit Herzschlag aufzufressen.

Dieses einst nur in einer Nische der Popkultur gepflegte Horrorszenario ist durch die TV-Serie „The Walking Dead“ so rasend populär geworden wie einst die Vorstellung, in der nahen Zukunft würden wir alle von braven Robotern umsorgt. Die bei der sechsten Staffel angelangte Serie kann die Nachfrage nach Grauen gar nicht allein befriedigen. Also führt, von allen möglichen Trittbrettfahrer-Serien abgesehen, auch der offizielle Ableger „Fear the Walking Dead“ in eine Welt voller Zombies. Die erste Hälfte der zweiten Staffel wird ab sofort vom Streamingdienst Amazon Prime vorgelegt: jede Woche eine von sieben Folgen. Später im Jahr folgt der Rest der Staffel.

Am Beginn der Seuche

Nicht alle, die an „The Walking Dead“ ihre Freude hatten, sind mit dem Prequel glücklich geworden. Erzählt die ursprüngliche Serie vom Kampf eines Häufchens Überlebender in einer bereits völlig barbarisch gewordenen Welt, zeigt „Fear the Walking Dead“ den Beginn der Seuche, den Versuch einer Familie aus Los Angeles, mit einer vermeintlichen Gewaltepidemie klar zu kommen. Es geht ums allmähliche Begreifen der Situation, ums Reagieren einer Gesellschaft, deren Polizei, Militär und Hilfseinrichtungen zunächst noch fähig scheinen, der Gefahr Herr zu werden.

Allerdings waren die ersten Folgen der Auftaktstaffel eine arge Enttäuschung. Umständlich und uninspiriert wurde die Familie vorgestellt, mühselig wurden die Spannungselemente in den Plot gewuchtet, monoton musste immer wieder die Begriffsstutzigkeit der Figuren dafür sorgen, dass die Gefahr für sie wuchs.

Doch gegen Ende hat „Fear the Walking Dead“ zu jenem Pessimismus aufgeholt, der die Ursprungsserie prägt. Waren dort anfangs die Zombies die große Bedrohung, sind die Untoten nun bloß noch lästig. Die wahre Gefahr für die Helden geht von den anderen Überlebenden aus.

Die Spaltung der Gesellschaft

Auch „Fear the Walking Dead“ hat in der zweiten Staffel Zombies zu bieten. Aber die Protagonisten, die auf einer schmucken Jacht dem Horror an Land entkommen sind, müssen sich fragen, was für ein seltsamer Mensch der Kapitän eigentlich ist. Die Zombie-Serien erweisen sich als Bebilderung einer gesellschaftlichen Spaltung. Der andere Mensch wird zum Feind im nackten Kampf ums Überleben.

Die besten Chancen hat in dieser Zukunft derjenige, der nicht lange fackelt. Auf den Staat ist kein Verlass mehr. Nur bleiben die Serien unentschieden: mal scheinen sie die Verhärtung der Helden anzuklagen, mal liberale Zögerlichkeit angesichts des Bösen anzuprangern. Der weltweite Siegeszug der Zombie-Serien spiegelt das Gären in Staaten rund um den Globus, in denen Bürger das Gefühl haben, sie müssten sich rüsten für ganz andere Zeiten.