Nicole Schneider (li.), Toni Gojanovic (Mitte), Kim Bormann Foto: Gonschior

Oliver Bukowski schlägt in „Letzte Menschen“ einen Bogen vom Trauma der 68er-Generation zur Gegenwart. Leider missversteht der Regisseur Axel Krauße das Stück als Trauerspiel.

Tübingen - Sie wissen noch, wie man sich ankettet, sich schwer macht, sich wehrt, wenn Polizisten sie forttragen wollen. In ihren Mündern stecken rote Trillerpfeifen, sie trommeln mit roten Stöcken und singen gepresst: „Die Gedanken sind frei.“ Aber einer aus den eigenen Reihen hat Tom Schildhauer, Leitfigur einer Protestbewegung, in den Kopf geschossen, nun stottert er. Heimlich besucht Schildhauer den Schützen, will sein Motiv erfahren. Noch später erhält er einen hochdotierten Preis.

„Letzte Menschen“ heißt das Stück, mit dem Oliver Bukowski einen Bogen vom Trauma der 68er-Generation zur Gegenwart schlägt. Wenige Wochen vor den G20-Unruhen in Hamburg wurde es vom Tübinger Zimmertheater bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen uraufgeführt, nun ist es in Tübingen zu sehen, inszeniert vom Zimmertheater-Intendanten Axel Krauße. Leider interpretiert Krauße einen Text, der gewiss satirisches, analytisches Potenzial besitzt und in dem sich Figuren, Ideale und Realitäten reiben, leider ganz und gar als Trauerspiel. Dem Regisseur ging es offenbar darum, die Demonstranten als jene letzten Menschen vorzuführen, von denen Friedrich Nietzsche spricht. Wie eine zahme Sitzung beim Psychotherapeuten wirkt ihr weltanschaulicher Konflikt.

Mit zwanzig Sozialist, mit vierzig Realist

Siegfried Kadow ist Schildhauer, die alternde Leitfigur, Paul Schaeffer der Attentäter. Nicole Schneider gelingt es, ein wenig emotionalen Furor ins Stück hineinzutragen; Kim Bormann spielt widerspenstig, interessant, bekommt aber zu wenig Raum. Toni Gojanovic ist Sascha, der Neuling, der mit Fari und dem Protest flirtet, dann aber weitereilt zum nächsten Start-Up. Odilia Baldszun hat sie vor eine schwarzglänzende Wand, zwischen geometrische Objekte gestellt; Sabine Effmert hat sie in Schwarzweiß-Kontraste gekleidet. Revolutionär wirkt hier nur noch Robert Arnold als Herrmann Vorberg, der alte Kampfgenosse, der seine Sätze mit einer Schärfe spricht, die man sonst vermisst. Aber er ist es, der dieser Gruppe Fontanes berühmten Satz an den Kühlschrank geklebt hat: Mit zwanzig Jahren ist man Sozialist, mit vierzig Realist - sonst hat man kein Herz, sonst hat man kein Hirn.

Termine: Mi., 27.9. bis Fr., 29.9.; Do., 5.10. bis Sa., 7. 10., jeweils 20 Uhr.