Die Zigeunerinsel feiert in der Liederhalle. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Fasching total: Am Samstagabend geht es in der Liederhalle und in der Sängerhalle hoch her. Die Karnevalsgesellschaften Zigeunerinsel und Grün-Schwarz feiern.

Stuttgart - Endlich ist es gelüftet, das Geheimnis um die Abkürzung MS vor Schiffsnamen. Nein, es meint nicht Motorschiff, sondern Mumienschipper, wie Frl. Wommy Wonder auf der Prunkfestsitzung der Karnevalsgesellschaft Zigeunerinsel betonte. Und das Frollein muss es wissen. Schließlich ist es schon viel rumgekommen auf Kreuzfahrtschiffen und den Weltmeeren.

Auch andere Lebenserfahrungen teilte die Mufudi, die Multifunktionsdiva, mit den Cäsaren und Kleopatras, den Supermännern und Catwomen, den Delinquenten, CIA-Agenten und Polizistinnen, die sich in der Liederhalle zuhauf – lag es an der derzeit stattfindenden Sicherheitskonferenz in München? – mit allerlei anderen illustren Gestalten eingefunden hatten. Sie beschrieb etwa, wie es in ihre Heimat auf der schwäbischen Alb zugeht. „500 Einwohner, nur sieben Nachnamen – in Fellbach weiß man, was ich meine. Meine Tante sagte gleich, das Gesicht kann nur eine Mutter lieben.“

Drei kräftige Tschä-Hois

Das Programm der Faschingsveranstaltung indes gefiel vielen. Nicht nur die Flic- Flacs und Spagatsprünge der Tanzmariechen, Gardetruppen und Tanzpaare des Veranstalters, darunter das im Latein- und Standardtanz preisgekrönte Kinderbaronenpaar Pauline I. von Staufen und Elvis I. vom Fasanengarten, sowie die Abgesandten der Partnervereine wie die Contacter Gerlingen oder die Filderer bekamen „dreifach kräftige Tschä-Hois“ mit auf den Weg. Auch das Musicalmedley des Zigeunerinsel-Spielmannszugs riss die Faschingsballgäste von den Stühlen. Da wurde stehend mitgeklatscht, gar zwischen den Tischen Hüften und Tanzbeine geschwungen.

Die Zwerchfelle strapazierten neben dem kreuzfahrenden Frollein auch die Comediens Der Zwerg vom Berg und Özcan Cosar – Deutschtürke, der eigentlich Balletttänzer werden wollte. „Da sagt kein türkischer Vater, ja Sohn, schau’ da hängt die Leggings deines Großvaters Mahmut!“ Den Mix aus Breakdance und Ballett, den der Sportlehrer dann entwickelte, damit ihn seine „Jungs“ nicht „Ser-gay“ nannten, führte er auch vor – zur Musik „Comptine d’Un Autre Été“ aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Damit waren ihm die Lacher und der Orden der Karnevalisten sicher, den auch schon Wommy Wonder über die Schulter geschoben bekommen hatte. Wie sagte noch Cosar auf der Bühne? „Was soll Las Vegas? Mein Vater hat immer gesagt, bist du mal bei der Zigeunerinsel, dann hast du es geschafft!“

Grün-Schwarz in der Sängerhalle

„Fasnet mit Freunden isch toll“ prangte in großen Lettern über der Bühne der Sängerhalle in Untertürkheim. Die Botschaft kam an: Eine Gruppe Cowboys und ein Herr im stilechten Südstaaten-Aufzug hockten unweit eines Indianerpärchens. Das Kriegsbeil wurde offenbar an der Garderobe zurückgelassen. Auch Dracula machte beim Faschingsball der Karnevalsgesellschaft Grün-Schwarz im Stuttgarter Vespa-Fiat-Club 1950 am Samstag keine Anstalten, die Hälse der Damen am Tisch anzuknabbern. Stattdessen wägte er zwischen Zwiebelrostbraten und Rahmschnitzel ab.

Vor allem aber wurden im Rampenlicht Freundschaften gepflegt. Etliche Gesandtschaften anderer Vereine waren gekommen, um das bunte Programm zu gestalten. In rasantem Wechsel zeigten das Mondlöscher-Ballett der Cannstatter Kübler und die Junioren der Schwarzen Husaren aus Stuttgart-Vaihingen ihr Können. Zwischen Fanfarenzug, Garde- und Showtanz blieb Moderatorin Tabea Kurfiss, die souverän durch den Abend führte, kaum Zeit für mehr als ein paar Dankesworte. Dabei war sie durchaus in Plauderlaune. Das galt auch für Elferrat und Pressesprecher Horst Schürer, der den Abend sichtlich genoss. „Haben wir nicht wieder eine ausnehmend hübsche Prinzessin inthronisiert?“ fragte er. Grün-Schwarz steht im Ruf, in dieser Hinsicht ein besonders glückliches Händchen zu haben. Prinzessin Sandra II., außerhalb der fünften Jahreszeit selbstständige Immobilienmaklerin, machte da keine Ausnahme.

Mit ganz anderen Reizen wartete zu fortgeschrittener Stunde s‘ Mariele von dr Alb auf. Mit schwarzen Zähnen gewappnet, unterhielt das Lästermaul aus Notzingen mit derbem Humor und einem Auftritt, der keine Berührungsängste kannte. Da mussten sich auch Ehrengäste wie Roland Schmid (CDU), Mitglied der Regionalversammlung, und Alt-Stadtrat Jürgen Haug (CDU) Umarmungen und zotige Bemerkungen gefallen lassen. Ihre Parteikollegin, Stadträtin Beate Bulle-Schmid, blieb unbehelligt. „Das war echt schwäbisch, wie es sein soll“, kommentierte ein Herr anerkennend. Gefallen hatte ihm aber auch der venezianisch inspirierte Maskenball von Blau-Weiß Sindelfingen. „So ein bisschen italienisches Flair kann ja nicht schaden“, gab er zu verstehen und nippte an seinem Wein. Das war selbstverständlich ein Württemberger.