Theodor Bergmann hat den Neuntklässlern von seinen Erfahrungen mit den Nazis bericht und vor den Gefahren des Rassismus gewarnt. Foto: Lichtgut

Am Königin-Katharina-Stift steht der 99-jährige Theodor Bergmann als Zeitzeuge Rede und Antwort. Er erzählt von seinem Weg, der ihn nach Palästina, Schweden und schließlich wieder nach Deutschland zurückgeführt hat.

S-Mitte - Am Samstag hat Theodor Bergmann seinen 99. Geburtstag gefeiert. Ein stolzes Alter, das man dem hageren Mann nicht sofort ansieht. Er hat viel erlebt – als Jude und Kommunist, in Deutschland wie im Ausland. Im Gymnasium Königin-Katharina-Stift hat er vor rund 60 Schülern von seinen Erinnerungen erzählt.

„Wir freuen uns sehr, dass wir ihn als Zeitzeugen für unsere Schule gewinnen konnten“, sagt der Geschichtslehrer Jens Breitschwerdt, der Bergmann auf einer Gedenkfeier für die verstorbenen Juden im Nationalsozialismus kennengelernt hatte. Die Schüler der Klassen 9 a, b und c setzen sich schon seit einer Weile mit der Zeit von 1933 bis 1945 auseinander.

„Am 5. Februar haben wir eine Fahrt nach Dachau gemacht. Ich mag Geschichte sehr, und mich hat der Besuch der KZ-Gedenkstätte echt beeindruckt“, sagt der 14-jährige Benjamin. Auch seine Mitschüler stellten Bergmann viele Fragen zu seiner Zeit im Nationalsozialismus, aber auch zu seiner Zeit im Exil.

Eine politisch gespaltene Familie im friedlichen Dialog

Bergmann wurde am 7. März 1916 in Berlin geboren. Er ist das siebte von acht Kindern. „Wie hat ihre Familie Sie politisch beeinflusst?“, will eine Schülerin wissen. „Religion hat meine Brüder und mich nicht sehr interessiert. Die Politik umso mehr. Die zunehmenden Auseinandersetzungen mit Nazis Anfang der 30er Jahre haben mich schon sehr beschäftigt. Und so gab es in meiner Familie drei Brüder, die Sozialdemokraten waren und drei, die sich den Kommunisten verschrieben hatten. Trotzdem haben wir uns nicht miteinander geprügelt, sondern miteinander gesprochen“, sagt der 98-Jährige.

Durch seine älteren Brüder kam er in den Kontakt mit dem Verlag von „Gegen den Strom“, einer Zeitschrift der KPD-Abspaltung KPDO. An seinem 17. Geburtstag tauchte die SA auf, die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP, um sein Elternhaus zu durchsuchen. Bergmanns Mutter schickte die Nazis weg mit der Begründung, dass es der Tag der Beerdigung der Großmutter sei, die vier Tage zuvor verstorben war. Bergmann floh nach Palästina, wo schon drei seiner Brüder leben. Einer seiner Brüder in Deutschland wurde in ein Konzentrationslager verschleppt und 1940 ermordet.

Sein Weg führt ihn nach Palästina und Schweden

„Was war ihr erster Gedanke, als Sie im Radio hörten, dass Hitler an die Macht kommt?“, will ein Schüler wissen. „Ich war damals 17, spürte aber schon, wie gefährlich die Nazis sind. Ich hatte politische Freunde, die im Gefängnis in Moabit weggesperrt wurden. Ich kann es meinen Eltern nicht verübeln, dass sie mich nach Palästina wegschickten. Trotzdem war ich davon überzeugt, dass Hitler sich mit seinen Ideen in der Welt niemals durchsetzen kann. Ich wusste schon früh, dass er den Krieg verlieren würde“, so Bergmann. 1936 emigrierte er nach Schweden, von wo aus er das Geschehen in Deutschland verfolgt.

Eine Schülerin hat gleich zwei Fragen: „Was haben Sie als erstes gedacht, als Sie hörten, dass der Krieg vorbei ist? Und warum haben Sie sich entschieden, von Schweden nach Deutschland zurückzukommen?“ Bergmann muss nicht überlegen: „Mein erster Gedanke war sofort: Ich will zurück nach Deutschland! Ich wusste, dass ich in Deutschland Rechte als deutscher Staatsbürger habe. Diese Rechte hatte ich in Schweden als im Exil Lebender nicht. Ich wollte mich mit meinen alten Freunden, die überlebt hatten, politisch im neuen Deutschland engagieren. Und das tue ich bis heute.“

Es gebe heute in Deutschland ein gewisses Maß an Rechtsradikalismus, was auch die Pegida-Bewegung erkennen lasse. Trotzdem glaubt Bergmann nicht, dass sich etwas wie der Nationalsozialismus wiederholen würde. „Trotzdem muss man sich engagieren, kritisch hinterfragen und laut seine Meinung äußern. Es gibt keine Rassen, nur verschiedene Hautfarben. Lasst die Ausländer hier leben und arbeiten. Sie helfen uns. Wir haben für jeden Platz, der hier arbeiten will. Wir haben nur keinen Platz für Nazis“, betont er.