Der Zahnschmelz ist schutzbedürftig. Foto: dpa

Beim Zähneputzen blutet es leicht am Zahnfleisch. Diese kleine Veränderung kann aber auf Dauer große Wirkung haben – bis hin zum Verlust ganzer Zahnreihen. Dahinter kann sich im Zweifel eine Parodontitis verstecken, die sich ein Zahnarzt ansehen sollte.

Stuttgart - Der Zahnschmelz ist zwar die härteste Substanz, die der menschliche Körper bilden kann. Dennoch ist er schutzbedürftig: Ist er doch permanenten Angriffen ausgesetzt. So befinden sich im Mund Milliarden von Bakterien. Und die lassen sich gerne an versteckten Stellen nieder – in Zahnzwischenräumen, meist ganz unten am Zahnfleisch.

Normalerweise sind diese sogenannten Biofilme oder Plaques kein Problem, beruhigen Experten wie Johannes Einwag, Direktor des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart. Sofern durch regelmäßiges Zähneputzen der Film wieder entfernt werden kann. Denn ein kleines dünnes Häutchen, das sogenannte Saum-Epithel, dichtet den Zahn so ab, dass kein Erreger von der Mundhöhle in das empfindliche Innere des Kiefers gelangen kann.

Nur ist bei vielen Menschen diese äußerste Schicht des Zahnfleisches beschädigt – sei es, weil man zu stark Zähne geputzt hat oder weil es nicht gründlich genug war. Ist dann noch die körpereigene Abwehr geschwächt, wird es kritisch. „Die Bakterien in den Zwischenräumen scheiden Stoffe aus, die das Gewebe nach und nach zerstören“, sagt Einwag. Es entsteht eine Parodontitis.

Man könne diesen Prozess mit einer Taubenplage in der Stadt vergleichen, so der Experte: Lässt sich eine Taube auf einem Denkmal nieder und lässt etwas fallen, dann ist das eigentlich kein Problem. Benutzt aber gleich ein ganzer Schwarm das Denkmal als Taubentoilette, sieht es nach kurzer Zeit ziemlich angefressen aus. „Die gleiche Wirkung haben Bakterienherde auf das Gewebe rund um den Zahn – und später auch auf den Knochen“, sagt Einwag.

Kaum einer kann dieser Krankheit wirklich entgehen

Um sich gegen die zersetzenden Stoffe der Bakterien zu wehren, reagiert der Körper mit einer Zahnfleischentzündung, einer sogenannten Gingivitis. Die betroffene Stelle wird stärker durchblutet, das Gewebe schwillt an und löst sich weiter vom Zahnhals. Ein Teufelskreis: Werden die Belege nicht entfernt, können die Bakterien tiefer in die Zahnfleischtaschen dringen, bis hinein in das Gewebe, das den Zahn im Knochen festhält. Und dann kann es wacklig im Mund werden. Denn die Parodontitis, im Volksmund auch Parodontose genannt, führt unbehandelt zum Zahnverlust.

Das Problematische ist: Kaum einer kann dieser Krankheit wirklich entgehen. Zwei Drittel der Bundesbürger, so schätzen Experten, sind an Parodontitis erkrankt oder tragen das Risiko dafür. „Wir wissen heute, dass die Ausprägung einer Parodontitis zu 50 Prozent davon abhängt, wie die Immunabwehr des jeweiligen Patienten beschaffen ist“, sagt Einwag. Und zu einem Drittel, wie gründlich er seine Zähen putzt, um die Beläge mit den Bakteriensiedlungen zu entfernen. Die Menge der Bakterien, die diese zerstörerischen Stoffe ausscheiden, spielt dagegen nur zu 20 Prozent eine Rolle.

„Auch Rauchen begünstigt eine Parodontitis“, sagt Einwag. Das Nikotin führt zu einer Verengung der Blutgefäße. Die Durchblutung verschlechtert sich, die Giftstoffe der Bakterien können nicht mehr so gut weggeschwemmt werden.

Hinzu kommt, dass die Entzündung die körpereigene Abwehr so belasten kann, dass eine Parodontitis auch andere Krankheiten begünstigt: So ist es erwiesen, dass aufgrund einer Zahnfleischentzündung Bakterien besser und häufiger in die Blutbahn geraten. Besonders gut untersucht sind die Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Diabetes sowie Parodontitis und einer Entzündung der Herzklappen.

Eine Zahnreinigung samt gründlichem Putzen hilft im Anfangsstadium

Wer also beim Zähneputzen Blutungen bemerkt, an Mundgeruch leidet oder über schmerzempfindliche Zähne klagt, sollte einen Termin beim Zahnarzt ausmachen. „Meist beginnt eine Parodontitis an den Stellen, wo man mit einer Zahnbürste nicht gut hinkommt“, sagt Johannes Einwag. Dort können sich über längere Zeit Bakterien festsetzen und ihr zerstörerisches Werk beginnen.

Ist die Ablösung des Zahnfleischs noch nicht sehr weit fortgeschritten, sind also die Zahnfleischtaschen nur wenige Millimeter tief, ist eine Behandlung wenig problematisch. Eine Zahnreinigung samt gründlichem Putzen hilft. Geht die Entzündung tiefer, braucht es eine professionelle Behandlung: „Der Zahnarzt befreit mit speziellen Instrumenten die Zahnfleischtaschen von den Plaques.“

Um das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen, muss dieser Vorgang gegebenenfalls viermal im Jahr wiederholt werden – und das lebenslang. Denn die tiefen Zahnfleischtaschen bleiben trotz erfolgreicher Parodontitis-Behandlung. „Ist das Gewebe einmal zerstört, wächst es nicht wieder nach“, sagt Einwag. Weshalb sich auch in den tiefen Taschen immer wieder neue Plaques bilden können. Und das dauert nach wissenschaftlicher Erfahrung etwa drei Monate.

Allerdings ist die Behandlung aufwendig, so dass gesetzlich versicherte Patienten bei der Nachsorge mit privaten Zuzahlungen rechnen müssen. Zwischen 80 und 150 Euro pro Sitzung werden verlangt. Für Experten wie Einwag ein Grund mehr, sich um eine vernünftige Mundhygiene zu kümmern – mit allem, was zu einer oralen Kehrwoche dazugehört: Zahnbürste, Interdentalbürstchen und Mundspülung.