Andrea Voßhoff ist Bundesdatenschutzbeauftragte. Foto: dpa

Die Abfrage von Kontodaten galt einst als Anti-Terror-Maßnahme. Seit 2005 sollen so auch Steuer- und Sozialbetrüger aufgespürt werden. Gerichtsvollzieher dürfen ebenfalls Einsicht beantragen – was der Datenschutzbeauftragten missfällt.

Berlin - Finanzämter, Sozialbehörden und Gerichte prüfen im Kampf gegen Steuerbetrug und Sozialmissbrauch immer häufiger die Konten von Privatpersonen. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der erledigten Anfragen deutlich auf 302.150 erhöht - nach 230.542 im Jahr 2014, wie aus am Mittwoch bekanntgewordenen Zahlen des Bundesfinanzministeriums hervorgeht. 2013 waren es 141.640 - doppelt so viel wie noch im Jahr davor.

Die deutliche Steigerung sei zu einem großen Teil auf die erst seit 2013 möglichen Anfragen von Gerichtsvollziehern zur Existenz von Konten zurückzuführen, hieß es. Diese Justizbeamten nutzen das Instrument vor allem, wenn sich Schuldner unkooperativ zeigen. Abfragen müssen aber zwingend erforderlich sein. Auch müssen die Ansprüche des Gläubigers mehr als 500 Euro betragen.

„Hervorragendes Beispiel für das Honigtopfprinzip“

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff sieht wie ihr Vorgänger die amtliche Neugierde kritisch: „Das Kontenabrufverfahren ist ein hervorragendes Beispiel für das sogenannte Honigtopfprinzip.“ Einmal erteilte hoheitliche Zugriffsbefugnisse auf personenbezogene Daten würden auf einen immer weiteren Kreis von Zugriffsberechtigten ausgedehnt.

Gleichzeitig entferne sich oftmals auch die Verwendung der abgefragten Daten immer weiter von dem eigentlichen Zweck, für den der Zugriff originär eingerichtet wurde, so Voßhoff.

Seit 2005 dürfen Behörden Konten von Bürgern ermitteln, um Steuerbetrüger ausfindig zu machen und Sozialleistungsmissbrauch einzudämmen. Nur unter bestimmten Voraussetzungen haben Ämter aber Zugriff auf Daten aller Konten und Depots. Eine Kontenabfrage erfolgt erst, wenn ein Bürger Zweifel an Angaben etwa in seiner Steuererklärung nicht ausräumen kann. Dabei geht es zunächst nur um die Kontonummer sowie Stammdaten wie Name, Geburtsdatum und Adresse.

Von den 2015 erledigten Fällen entfielen 97.631 Abfragen auf Finanzbehörden für steuerliche Zwecke. Mehr als 204.519 Fälle betrafen Anfragen von Gerichtsvollziehern sowie von Sozialbehörden wegen möglichen Leistungsmissbrauchs.