Foto:  

Ivo Gönner und der Schwörtag Ivo Gönner hat als Oberbürgermeister in Ulm 24-mal die Schwörrede in der Stadt gehalten.

Herr Gönner, was bedeuteten Ihnen die Schwörfeiern?
Diese Schwörfeier ist ein besonders würdiger Akt. Es ist ein hoher identitätsstiftender Vorgang, und zwar für Alteingesessene genauso wie für Neuzugezogene aus allen Ländern. Er ist identitätsstiftend, ist ein Rückblick auf einen historischen Vorgang. Aber er ist immer auch, neben einem jährlichen Rechenschaftsbericht, eine Standortbestimmung und ein Ausblick auf die weitere Entwicklung einer Stadt. Und dies fußt auf diesem Schwörvorgang aus dem Jahr 1345. Die Schwörformel ist ja die Vollendung eines Friedenspakts zwischen den streitenden Zünften und den Patriziern.
Ulm hat sich im Jahr 1949 entschieden, zur Schwörfeier zurückzukehren. Warum?
Als nach dem Krieg alles in Trümmern lag, auch geistig, hat der erste vom Volk gewählte Oberbürgermeister Theodor Pfizer gesagt: So viel lag in Trümmern, und so viel ist zerstört. Die Rückbesinnung auf einen geschichtlichen Vorgang mit einer vordemokratischen Philosophie, das hilft wieder, zusammenzuwachsen und sich neu zu orientieren.
Haben die Schwörreden messbare Effekte auf das Alltagsleben der Stadt?
Die Schwörrede ist ja nicht nur ein Rechenschaftsbericht, sondern auch eine politische Standortbestimmung. Deswegen war sie immer auch die Reflexion einer aktuellen politischen Auseinandersetzung. Beispiele sind die Themen Europa, die Flüchtlinge oder die hohe Arbeitslosigkeit und ihre gesellschaftliche Wirkung. Es wurde immer ein Grundton angeschlagen, der nachwirkte.