Bei dieser schwäbischen Stubenfliege mit dem berühmten Muggaseggele (roter Pfeil) besteht keine Gefahr einer Infektion Foto: Decksmann

Es gibt viele Möglichkeiten, an lähmenden Sommertagen die Zeit totzuschlagen. Unser Autor versucht es in diesem Sommer mit Mückenfangen. Der Dank der Wissenschaft ist ihm gewiss.

Stuttgart - Erlauben Sie mir bitte, dass ich diese Kolumne ausnahmsweise mit dem zweiten Satz beginne. Grundsätzlich sollten Texte mit dem ersten Satz beginnen, das lernt man auf jedem Schreibseminar. Aber die Ansprüche, die man an erste Sätze stellt, sind wahnsinnig hoch. Erste Sätze sollen die Leserschaft fesseln, sie sollen einen in den Text hineinziehen.

Dieser Satz ist eine Granate

Ein erster Satz, der immer wieder gern zitiert wird, lautet: „Wir trafen Jesus in der Mittagspause kurz vor der Kreuzigung.“ Der Satz stand am Anfang einer „Stern“-Reportage über ein Passionsspiel – und ist eine Granate. Zu gern wäre ich mit diesem Satz eingestiegen, aber ich habe in den vergangenen Tagen weder Jesus noch sonst eine bemerkenswerte Type beim Mittagessen getroffen. Auch das Mittagessen selbst war nicht so, dass man darüber viele Worte verlieren müsste.

Ich bitte also um Nachsicht, was meinen ersten Satz betrifft, und die nehme ich schon deshalb gern in Anspruch, weil wir inzwischen ja so was wie Sommer haben. Gut, so richtig Sommer war nur an zwei Tagen in der vergangenen Woche. Wahrscheinlich wird 2016 als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem der Hochsommer auf einen Donnerstag und einen Freitag fiel. Aber egal, wir haben Sommer, und den steckt man ab einem gewissen Alter nicht mehr so ohne Weiteres weg.

Die Forscher brauchen intakte Leichen

Auch wenn es nicht leichtfällt, ich stelle mir jeden Sommer eine Aufgabe. Die Aufgabe für dieses Jahr lautet: Sammle Mücken und schicke sie ans Leibniz-Institut für Agrarlandschaftsforschung im brandenburgischen Müncheberg, damit die Wissenschaftler dort ihren Mückenatlas vervollständigen können. Der Atlas dient dazu, eingeschleppten Krankheitserregern auf die Schliche zu kommen, das Sammeln ist anspruchsvoll. Es nützt nichts, die Viecher totzuschlagen und in einen Briefumschlag zu stecken. Die Forscher brauchen intakte Leichen, weshalb ich seit Tagen vor dem Gefrierschrank hocke, in der Hoffnung, dass eine Schnake hineinfliegt.

Ich vermute, diese Aufgabe ist mindestens so verdienstvoll, wie sich mit Jesus kurz vor der Kreuzigung zum Mittagessen zu treffen.