Am Samstag geht OB Wolfgang Schuster in Ruhestand. Im großen Interview spricht der 63-Jährige über Erfolge und Niederlagen in seiner Amtszeit und erklärt Motive seines Handelns. Foto: Leif Piechowski

Am Samstag geht OB Wolfgang Schuster in Ruhestand. Im großen Interview spricht der 63-Jährige über Erfolge und Niederlagen in seiner Amtszeit und erklärt Motive seines Handelns.

Stuttgart - An diesem Samstag geht OB Wolfgang Schuster in Ruhestand. Im Interview spricht er über Erfolge und Niederlagen in seiner Amtszeit und erklärt Motive seines Handelns. „Ich gehe mit offenem Visier durch die Welt“, bekennt der 63-Jährige.

Herr Schuster, freuen Sie sich auf Montag? Wenn Sie nicht mehr wie jeden Morgen früh aufstehen und ins Rathaus zur Arbeit müssen?
Ich arbeite gerne. Das ist halt meine Natur. Insofern wird es mir nicht leichtfallen, meinen Arbeitsrhythmus von heute auf morgen aufzugeben.

Sie bremsen nicht von Tempo 100 auf 0?
Ich komme von Tempo 120 – und ich bremse erst mal auf 80. Es gibt einige Aufgaben, in die ich mich weiterhin einbringen möchte; zum Beispiel für die Bundesregierung im Rat für nachhaltige Entwicklung, als Sachverständiger für den demografischen Wandel oder in das von mir neu gegründete Institut für Nachhaltige Stadtentwicklung . . .

. . . das heißt . . .
. . . es wird mir nicht langweilig.

Als Sie am 7. Januar 1997 das Amt angetreten haben, wurde Ihnen von einem Journalisten in Hamburg der „Charme eines Aktendeckels“ attestiert. Erinnern Sie sich?
An den Journalisten? Nein. An den Aktendeckel? Ja. Das erfreut einen nicht, aber ich kann solche Dinge abhaken. Letzten Endes zählt doch das, was ein Mensch geleistet hat – und nicht, was andere ihm zu Recht oder Unrecht nachsagen.

Viele Bürger, auch von der kritischen Fraktion, schätzen Ihre solide Arbeit. Die Herzen der Menschen fliegen Ihnen seltener zu . . .
Ich habe meine Arbeit nie nach dem Ziel ausgerichtet, beliebtester OB von Stuttgart zu werden. Die Stuttgarter haben mir 1996 bei der Wahl Verantwortung übertragen. Dieser Verantwortung Tag für Tag gerecht zu werden, darauf kommt es an. Dazu gehört für mich ganz wesentlich, dass die Stadtverwaltung möglichst effizient schafft und gute Dienstleistungen erbringt. In den 16 Jahren, in denen ich OB war, habe ich diese Führungsaufgabe nie aus den Augen verloren. Das Ansehen der Mitarbeiter der Stadtverwaltung, denen ich an dieser Stelle ausdrücklich für ihr hohes Engagement danke, ist in der Öffentlichkeit stetig gewachsen. Das ist für mich die Form von Bürgernähe, die wirklich zählt!

Wir sind uns in den 16 Jahren öfter beruflich begegnet. So zerknirscht wie am 12. April 2003, als Stuttgart bei der nationalen Olympia-Bewerbung gegen Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf und Leipzig schon im ersten Wahlgang durchfiel, habe ich Sie nie erlebt. War das Ihr persönlicher Tiefpunkt als OB?
Wer wagt, gewinnt. Und manchmal verliert man eben auch. Hätte ich vorher gewusst, dass der deutsche Bewerber für die Sommerspiele 2012 nicht nach objektiven Kriterien ausgewählt wird, sondern nur nach subjektiv-politischen Kriterien, hätte ich es mir vermutlich dreimal überlegt, ob Stuttgart überhaupt mit antreten soll.

Die Niederlage ärgert Sie heute noch?
Es war ein abgekartetes Spiel. Hätte man die Olympiabewerbung von vornherein als Baustein für den Aufbau Ost deklariert, wäre womöglich ganz Deutschland sofort dahinter gestanden. Aber so?