Wenn sich etwas wie ein roter Faden durch Wolfgang Funks Berufsleben zieht, dann ist es der Ortswechsel. Für ein paar Jahre lebte er mit seiner Frau in Stockholm und in Singapur. Foto: Judith A. Sägesser

Für Wolfgang Funk beginnt nächste Woche eine neue Lebensphase. Der Leiter des Wilhelms-Gymnasiums in Degerloch wird pensioniert. Bis es so weit ist, hat der 64-jährige Pädagoge noch einiges zu tun.

Degerloch - Noch zweimal schlafen, dann ist es so weit. Je näher der 25. Juli rückt, desto seltsamer kommt ihm die Sache vor. Der 25. Juli ist der Tag, an dem Wolfgang Funk offiziell verabschiedet wird. Denn der Leiter des Wilhelms-Gymnasiums Degerloch wird pensioniert. Eine gewisse Schonfrist hat er anschließend zwar noch, jedoch keine lange. Bis zu den großen Ferien gilt: noch achtmal schlafen. Dann hat Wolfgang Funk Schulferien für immer.

Während der elf Jahre, in denen der heute 64-Jährige am Wilhelms-Gymnasium das Sagen hatte, hat er deutliche Spuren hinterlassen. Er wird als der Mann in Erinnerung bleiben, der redete, wie es die jeweilige Situation von ihm verlangte. Gab es etwas zu scherzen, scherzte er. Gab es etwas Unangenehmes zu sagen, sagte er es. Er kuschte nicht, beschönigte nichts.

Gemütlicher Akzent und Lederbändchen

So beschwerte sich Wolfgang Funk zum Beispiel lautstark und immer wieder darüber, dass das Gymnasium keine anständige Mensa hatte, nannte es ein Unding, dass die Schüler aus Platzmangel ihr Mittagessen auf der Treppe löffelten. Er zeigte Politikern in den Toiletten Pinkelrinnen, die aus der Zeit gefallen waren. Und auch das achtjährige Gymnasium kritisierte der Schulleiter öffentlich. Heute haben Schüler am Wilhelms-Gymnasium die Wahl zwischen G 8 und G 9. Das ist sein Verdienst.

Trotzdem wirkte Wolfgang Funk bei allem, was er in den vergangenen Jahren zu kritteln hatte, zu keiner Zeit wie ein verbitterter Grantler. Im Gegenteil, dieser Mann mit seinem von Lachfalten gezeichneten Gesicht, seinem gemütlichen badischen Akzent und dem Lederbänchen ums linke Handgelenk konnte einem schwer unsympathisch sein.

In der Schule nahe am Zeitgeist

„Jetzt kommt das Privatleben pur“, sagt Wolfgang Funk im Blick auf die ihm nun bevorstehende Zeit. „Ich arbeite aber ganz intensiv daran, nicht in ein Loch zu fallen.“ So anstrengend seine Tage an der Spitze des Degerlocher Wilhelms-Gymnasiums oftmals gewesen sein mögen, „man bleibt jung und gefordert“, sagt er. Kaum irgendwo sei man schließlich näher am Zeitgeist als in einer Schule.

Seine Frau, die er beim Studieren an der Uni Heidelberg kennengelernt hat, geht gleichzeitig in den Ruhestand. Vielleicht hilft ihm das etwas bei diesem großen Schritt. Denn auch wenn Wolfgang Funk keine gefühlte Ewigkeit in Degerloch auf dem Schulleiterstuhl gesessen ist, ist der anstehende Abschied doch ein besonderer; es ist einer vom Großen und Ganzen.

Er wird sich schon bal zurechtfinden

So ungewohnt die neue Lebensphase für ihn sein mag, wer Wolfgang Funk kennt, weiß: Er wird sich schon bald zurechtfinden. So war das eigentlich immer so bei ihm. Mal abgesehen von seiner Studienzeit, die er in seiner Heimatstadt Heidelberg verbracht hat, zieht sich der Ortswechsel wie ein roter Faden durch sein Leben.

Der Pädagoge ist ganz schön rumgekommen auf der Welt. Und das nicht nur in den Schulferien. Er war zweimal für längere Zeit im Ausland: von 1984 bis 1989 in Stockholm und von 1997 bis 2003 in Singapur. Seine Frau ist ebenfalls Lehrerin und verspürte damals dasselbe Fernweh. Zum Glück haben beide jeweils am selben Ort im Ausland eine Stelle gefunden.

Die Lebensträume waren nicht nur glatt

Damit haben sie sich die beiden Lebensträume erfüllt. Lebensträume, die übrigens nicht nur glatt waren, sondern durchaus Ecken und Kanten aufwiesen. Von Schweden haben sich die Funks zwischenzeitlich sogar heimgewünscht. „Dort gibt es zwei Jahreszeiten: Juli und Winter“, sagt Wolfgang Funk. Diese Dunkelheit hat die zwei nach dem ersten Winter deprimiert. Nach langem Hin- und Herüberlegen ist das Paar dennoch geblieben. Im Nachhinein sagt Wolfgang Funk: „Die Erfahrungen in Stockholm waren schön und bereichernd.“ So sehr, dass sich die Funks wenige Jahre später wieder umgeschaut haben.

Gefunden haben sie damals die Deutsche Schule in Singapur – und eine exotische Welt mit bekannten Dingen. Es habe zum Beispiel einen Schweizer Metzger gegeben, einen deutschen Bäcker, Schattenmorellen aus dem Schwarzwald und Knäckebrot aus Schweden. Die Schulferien haben die beiden genutzt, um sich Asien und Australien gründlich anzuschauen.

Ihre Reisekoffer können sie trotzdem packen

Heute wohnen die Funks in einem kleinen Dorf zwischen Böblingen und Tübingen. Und eben dort werden sie auch wohnen bleiben. „Wir sind da gut verwurzelt“, sagt er. Reisekoffer können sie ja trotzdem weiterhin packen.

Zum Abschied hat Wolfgang Funk von seinen Kollegen eine sogenannte Rubbelweltkarte geschenkt bekommen. Von ihr lässt sich tilgen, was man auf dem Globus schon gesehen hat. Er ist sich sicher, dass da noch einiges übrig bleiben wird, gewiss weiß er es aber nicht. Denn bisher hat er noch keine Gelegenheit zum Wegrubbeln gefunden. „Ich habe die Karte noch nicht mal aufgehängt“, sagt er und grinst. Noch ist Wolfgang Funk nämlich der Schulleiter am Wilhelms-Gymnasium, und das bedeutet: einen gut gefüllten Terminkalender. Noch achtmal schlafen.