Der Wolf aufgenommen am 25. Juni bei Stockach (Baden-Württemberg). Nach Angaben der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg besteht kein Zweifel an der Echtheit des Fotonachweises eines Privatmannes. Foto: dpa

Ein einsamer Wolf sorgt im Südwesten für Aufregung. Immerhin ist es erst das zweite lebende Tier seit 150 Jahren. Naturschützer sind entzückt, Herdenzüchter sorgen sich. Experten fragen sich, wo das Tier jetzt ist.

Freiburg - Ein einsamer Wolf streift vor einem Waldrand über eine Wiese. Die Ohren sind gespitzt. Vorsichtig und um sich blickend läuft er weiter, immer in großem Abstand zum Weg. Ist das braun-graue Tier auf dem kurzen Video der Facebook-Gruppe „Du bist aus Stockach, wenn...“ das Tier, das zur Zeit die Baden-Württemberger beschäftigt? Wenige Tage nach der Sichtung eines Wolfes bei Überlingen am Bodensee laufen am Mittwoch bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Freiburg die Telefone heiß.

Schließlich gilt die Heimkehr des Wolfes nach Baden-Württemberg als kleine Sensation: Das jetzt entdeckte Tier ist erst das zweite lebendige Exemplar seit über 150 Jahren. Vor gut einem Jahr wurde schon ein Wolf hier gesichtet. Davor wurden nur zwei tote junge Wölfe gefunden: im Juni 2015 auf der A5 bei Lahr und im November desselben Jahres auf der A8 bei Merklingen.

Woher kommt der Wolf?

Doch wo ist der neue Wolf, und wo kommt er her? Das wüssten die Wolf-Experten der Behörde gerne. Zuletzt sicher gesehen wurde er am Dienstagmorgen in Bad Dürrheim (Schwarzwald-Baar-Kreis). Zuvor war er in Stockach (Kreis Konstanz), zuerst fotografiert wurde er vor einer Woche bei Überlingen. Er könnte jetzt im Schwarzwald sein - oder schon ganz woanders: „Pro Tag legt ein Wolf locker 30 bis 60 Kilometer zurück“, sagt ein FVA-Sprecher.

Hinweise bekommen die Freiburger Experten reichlich. „Doch bei vielen ist auch Wunschdenken dabei“, so der Sprecher. Dabei kommt nicht nur manch räudiger Hund in „Wolf-Verdacht“. „Es gibt auch Verwechslungen mit Rehen und Hasen.“ Dennoch nehme man jede Meldung ernst.

Gespannt sind die Fachleute vor allem auf handfeste Nachweise des Wolfes. Sie fahnden nach Kot, gerissenen Tieren und Haaren. Die könnten Aufschluss über die Herkunft geben. Momentan geht man von einem einjährigen Rüden vermutlich aus der nahen Schweiz aus.

Klar ist, dass sich die Wolf-Population in Europa ausbreitet, sagt Experte Stefan Kordeuter vom Forstamt Bodenseekreis. In Ost- und Norddeutschland, Italien, Frankreich und der Schweiz sind Wölfe längst etabliert.

Herdentierhalter fürchten den Wolf

Für die Halter von Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden und Damwild ist das durchaus ein Grund zur Besorgnis. „Wenn der Wolf jetzt kommt, muss das Herdenschutzprojekt Baden-Württemberg dringend verlängert werden“, sagt Anette Wohlfarth, Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes. Zum Schutz der Herden werden neue Zäune getestet und acht Herdenschutzhunde eingesetzt. Die großen Tiere - darunter auch Kangals - wachen im Gegensatz zu Hütehunden innerhalb der Schafherde.

Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) fände es hingegen schon wegen der Artenvielfalt schön, wenn der Wolf wieder heimisch würde. „Bis zu seiner Ausrottung hatte der Wolf Jahrhunderte lang zu Baden-Württemberg gehört.“ Statt Schafen stünden ohnehin eher Rehe, Wildschweine und Rotwild auf dessen Speiseplan. Um die Belange der Herdentierhalter werde man sich kümmern, verspricht eine Ministeriumssprecherin.

Menschen sieht sie nicht gefährdet. „Die Geschichte vom Rotkäppchen ist ein Märchen.“ Wenn Wölfe Menschen sehen, ergriffen sie eher die Flucht. Nur füttern dürfe man sie nicht; sonst könnten sie ihre natürliche Scheu vor dem Menschen verlieren. Auch Volker Haselbacher, Vize-Chef der Hochschwarzwald-Tourismus-Gesellschaft, sorgt sich nicht um seine Wanderer: „Zumindest solange die Wölfe nicht in Rudeln durch die Dörfer laufen. Dann wär’s nicht mehr so lustig.“

Und wie groß ist die Chance, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am kommenden Dienstag bei seinem Besuch im Nationalpark Schwarzwald auf einen Wolf trifft? „Die geht gegen null“, sagt Wolf-Experte Kordeuter. Schließlich sei Baden-Württemberg erst „Wolf-Erwartungland“.