Gastgeber Achim Zepter (links) steuert seinen Musikergast Omid Gollmer aus. Foto: Kathrin Wesely

Wohnzimmerkonzerte sind schwer im Trend. Achim Zepter ist einer von jenen, die Künstler und Zuhörer zu sich einladen, um gemeinsam Live-Musik zu erleben.

S-West - Im fünften Stock gibt’s Eintopf zum Konzert. Achim Zepter hat wildfremde Leute in sein Wohnzimmer eingeladen, um mit ihnen Live-Musik zu hören. Der riesige Flachbildfernseher ist schamhaft mit einem Tuch bedeckt, davor hockt Omid Gollmer strumpfsockig, mit Gitarre im Arm auf einem Barhocker. Der Singer-Songwriter aus Stuttgart hat sich beim Singen aufs Englische verlegt, seine Moderation ist auf Österreichisch, weil er dort herstammt. Seine leisen Lieder erzählen von Liebe, Leid und Hoffnung. Eine Coverversion von Cat Stevens ist auch dabei – für Mutti. Die ist auch da. Die Couch ihm gegenüber wird von sechs wippenden Beinpaaren bevölkert, aber auch am Esstisch und vorm Büffet haben Zuhörer Platz genommen. Die wenigstens hier kennen sich, alle duzen einander. Achim hat gekocht und hält in der Küche zwei Eintöpfe warm – einen mit und einen ohne Fleisch. Heike Schönthal kommt fast immer zu seinen Wohnzimmerkonzerten. Sie mag die familiäre Atmosphäre und dass man so nett mit Leuten ins Gespräch kommt, die man gar nicht kennt. Das liege auch am Achim, sagt Heike, weil er so eine offene Art habe und eine freundliche Stimmung verbreite. „Er ist einer, der lieber gibt als nimmt. Wir mussten ihn sogar überreden, ein Kässchen fürs Essen aufzustellen!“

Für die leiseren Töne entschieden

Zepter ist einer von etwa 30 Stuttgartern, die auf der Internetplattform www.sofaconcerts.org ihre gute Stube als Konzertlocation anbieten. Die musikalischen Heimspiele sind seit einiger Zeit schwer im Trend. Die zugehörige Musik lässt auf der Internetseite auch gleich buchen. Zahlreiche Künstler aus dem Raum Stuttgart haben hier inseriert. Man findet erwartungsgemäß eher Singer-Songwriter und andere wohnzimmerkompatible Formationen als Rockbands. Auch Achim Zepter hat sich bislang für die leiseren Töne entschieden. „Ich achte immer darauf, dass kein Schlagzeug dabei ist.“ Dabei seien die Nachbarn im Hochhaus ziemlich liberal. „Meist kommen auch welche zum Konzert.“ Er selbst hat sein erstes Wohnzimmerkonzert vor vielen Jahren bei seiner Tante in Oregon, USA, erlebt. Das hat ihn damals schwer beeindruckt.

Dem Künstler des Abends imponiert die profimäßige Ausstattung von Achims Stube: Der Bühnenbereich ist mit richtigen Scheinwerfern ausgeleuchtet und auch das Mischpult entstammt der Profi-Liga. Der Gastgeber besorgt die Technik für einen befreundeten Bühnenkünstler und hat sich für diesen Job über die Jahre die feinsten Materialien zugelegt. Das alles ist Hobby. Seine übrige Zeit verbringt der 51-Jährige als kaufmännischer Angestellter bei einem großen Automobilzulieferer. Die meisten von denen, die jetzt in seinem Wohnzimmer fläzen, kennt er gar nicht. Auf die Idee, Handy, Laptop oder andere Wertgegenstände beiseite zu räumen, ist er gar nicht gekommen.

Manchmal hört auch die Katze zu

Hätte er nicht jeden Neuankömmling an der Tür begrüßt, würde man kaum merken, dass er an diesem Abend Gastgeber ist. Wenn er nicht gerade am Mischpult herumnestelt, lehnt er irgendwo zufrieden lächelnd und wirkt dabei ein bisschen unbeteiligt – ähnlich wie der Tigerkater, der auch hier wohnt. Dessen Claims sind in Form deckenhoher Kratzbäumen klar abgesteckt. Einer jener mit Hanf umwickelten Säulen mit Plattformen und Erkern steht direkt neben Omid Gollmer. „Manchmal sitzt der Kater auch drauf und hört der Musik zu“, sagt Zepter. Vom Logenplatz aus quasi. An diesem Tage aber ist das Tier nicht dazu aufgelegt.

Als der letzte Applaus verhallt ist, denkt keiner daran, heimzugehen. Ein Hut geht rum. Manche holen sich noch einen Teller Eintopf, manche wollen dem Künstler persönlich danken. Omid Gollmer ist sichtlich zufrieden mit dem Auftritt. „Ich mag ja diese Nähe zum Publikum bei solchen Konzerten. Von einer richtigen Bühne aus sehe ich die Leute ja nicht richtig. Aber hier kann ich erkennen, wie ein Fuß wippt oder jemand mit dem Kopf im Takt wackelt. Ich sehe, dass meine Musik bei den Menschen ankommt. Das spornt mich an.“