Selbst Gutverdiener haben ihre Mühe bei der Wohnungssuche. Foto: dpa

Das Landratsamt legt erstmals einen Bericht zum Wohnungsmarkt im Landkreis vor. Der beweist die gefühlte Wahrheit, dass die Mieten stetig steigen.

Böblingen - Roland Bernhard formuliert es so: „Es gibt im Landkreis eine riesige Nachfrage nach bezahlbarem und auch nach fast unbezahlbarem Wohnraum.“ Ein leer geräumter Immobilienmarkt und stetig steigende Mieten sind die abgescheuerte Unterseite einer von oben glänzenden Medaille. Abgesehen von der Landeshauptstadt Stuttgart ist die Wirtschaftskraft des Kreises Böblingen die stärkste in der gesamten Region. Die Arbeitslosigkeit ist die niedrigste aller Kreise einschließlich Stuttgart. Das macht sich in einem dauerhaften Zustrom neuer Bewohner bemerkbar.

Daran dürfte sich auf absehbare Zeit nichts ändern. Das Prognos-Institut setzt den Landkreis auf Platz vier seines Zukunftsatlasses – deutschlandweit, Großstädte eingeschlossen. Mit seiner Studie bewertet das Institut die Zukunftsaussichten von Städten und Kreisen.

Die Grünen im Kreistag hatten im vergangenen Jahr per Antrag gefordert, jene Kehrseite der Medaille zu beleuchten, auch wenn das Ergebnis wohl niemanden überraschte: Die Mieten steigen seit mehr als zehn Jahren stetig. Gleiches gilt für die Kaufpreise von Immobilien. Um zumindest darüber zu reden, wie bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann, hat der Landkreis eigens zur Versammlung an einen Runden Tisch gebeten. An dem sitzen seither Vertreter der Immobilienwirtschaft, städtischer Baugesellschaften, aber auch der Wohlfahrt. Mit Zahlen ist der gute Wille allerdings nicht messbar, jedenfalls nicht bisher. Nur jeder zehnte, der im Landkreis ein Recht auf eine Sozialwohnung hat, bekommt tatsächlich eine für ihn bezahlbare Bleibe vermittelt.

Der Mietspiegel ist eine theoretische Größe

Laut dem Mietspiegel sollten sogar in den Großen Kreisstädten Wohnungen ab einem Quadratmeterpreis von 4,15 Euro zu bekommen sein, wenn auch in schlechter Lage und einfach ausgestattet. Allerdings sind die Angaben im Mietspiegel politische Größen. Ämter, städtische Baugesellschaften, Mieter- und Vermietervereine setzen die Zahlen nach einem ausgeklügelten Regelwerk fest, weil sie Mieter wie Vermietern als Messlatte dienen sollen. Dass manch alteingesessene Rentnerin 100 Quadratmeter Altbau für 400 Euro Miete bewohnt, hilft aber niemandem, der dringend eine Bleibe sucht, denn der Preis richtet sich nach Angebot und Nachfrage, nicht nach dem Mietspiegel.

Der Landkreis hat einen Quadratmeterpreis von 7,33 Euro für Altbau-, 9,45 Euro für Neubauwohnungen ermittelt. Die tatsächlichen Angebote dürften noch darüber liegen. Dies legt ein Blick ins Immobilienportal Immoscout nahe. Die absolut gerechnet billigste Bleibe im Kreis ist ein 18-Quadratmeter-Zimmer für 270 Euro in Böblingen. Ein Schnäppchen scheinen 76 Quadratmeter für 316 Euro nahe Renningen, sogar mit Terrasse. Diese Wohnung ist allerdings nur für Sozialhilfeempfänger verfügbar. Am oberen Ende der Preisskala steht eine Maisonette-Wohnung, 90 Quadratmeter für 2060 Euro in Leonberg.

Gemäß einer Erhebung der Genossenschaftsbanken liegt die Durchschnittsmiete für Neubauten nur noch knapp unter elf Euro. Im Jahr 2000 verlangten Vermieter noch exakt sieben Euro. Relativ gerechnet, entspricht dies einer Steigerung von mehr als 57 Prozent binnen 15 Jahren.

Auch die Kaufpreise klettern auf Rekordhöhen

Die Entwicklung bei den Kaufimmobilien offenbart schon die Unterzeile einer Studie des Bankhauses Ellwanger und Geiger: „Die Preise für Eigentum klettern auf neue Spitzenwerte.“ Gemäß dieser Erhebung sind die billigsten Einfamilienhäuser im Kreis in Steinenbronn zu bekommen. Bei 225 000 Euro beginnen dort die Angebote – und enden bei 650 000 Euro. Am selbstbewusstesten vermarkten Verkäufer in Sindelfingen ihre Immobilien. Bis zu 1,65 Millionen Euro werden dort fürs Häuschen aufgerufen. Die Sorge, wie solche Summen zu finanzieren sind, plagen aber vergleichsweise wenige Bewohner des Kreises. Fast 63 Prozent von ihnen leben bereits im eigenen Haus. Das ist der mit Abstand höchste Anteil in der Region.