Der Wohnungsleerstand ärgert viele – im August weisen Demonstranten mit einem Transparent an einem Gebäude in der Haußmannstraße unmissverständlich darauf hin. Foto: Marc Schieferecke

Stuttgart verschärft die Gangart: Hausbesitzer, die Wohnungen leer stehen lassen, müssen sich bald verteidigen. Eine Mehrheit im Gemeinderat schickt sich an, die Zweckentfremdung von Wohnraum förmlich zu verbieten. Am 1. Januar soll es in Kraft treten. Es ist aber umstritten.

Stuttgart - Auch die Gegenwehr von CDU, Freien Wählern, AfD und FDP wird nichts nützen. Am 3. Dezember will eine Mehrheit im Gemeinderat das „Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“ beschließen. Daran ließen OB Fritz Kuhn, seine grünen Parteifreunde, SPD sowie SÖS/Linke-plus am Freitag im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen keinen Zweifel. Im Gremium gab es zehn zu acht Stimmen für die Satzung.

Von 1. Januar 2016 an soll das neue kommunale Gesetz dem Leerstand und der zweckwidrigen Nutzung von Wohnungen entgegenwirken. Beim Leerstand im Sinne der Satzung geht es aber um mehr als sechs Monate. Darauf wies Erster Bürgermeister Michael Föll (CDU) auch hin, als er dem Haus- und Grundbesitzerverein und der CDU Contra gab. Die hatten erklärt, die Stadt solle vor der eigenen Türe kehren. Sie habe am Zensus-Stichtag im Jahr 2011 selbst 1000 Wohnungen leer stehen lassen.

Stadtverwaltung widerspricht Haus und Grund

Keine einzige dieser 938 Wohnungen sei sechs Monate leer gestanden, sagte Föll. Nur 122 gehörten der Stadt direkt, davon seien etwa die Hälfte in städtebaulichen Entwicklungsgebieten gewesen, wo man Abbruch oder Umbau plante. Die andere Hälfte sei modernisiert worden. Nur bei 14 städtischen Wohnungen habe ein allgemeiner Leerstand vorgelegen, aber nicht sechs Monate lang.

816 Wohnungen gehörten nach Fölls Worten der Wohnbautochter SWSG. 358 seien wegen Mieterwechsel leer gestanden, 417 wegen Modernisierung. Von den restlichen 41 leeren SWSG-Wohnungen seien 20 zum Verkauf gestanden, 21 Mietwohnungen ohne solche Gründe unbewohnt gewesen. Hier habe es sich aber um Fürsorgeunterkünfte für Notfälle gehandelt.

OB Kuhn will Hauseigentümer mahnen

Die Verwaltung gab zu, von den insgesamt 11 300 Wohnungen, die am Zensus-Stichtag stadtweit als leerstehend erfasst wurden, seien viele nicht vermietbar oder Teil einer „Fluktuationsreserve“ für Wohnungswechsel gewesen. 1000 bis 4100 leere Wohnungen seien aber Fälle für die Satzung, darunter knapp 300 Wohnungen, die im Internetportal airbnb für Touristen angeboten werden.

Bei der jetzigen Notsituation Wohnungen leer zu lassen, sei „nicht anständig“, sagte Kuhn. Man wolle mit der Satzung aber nicht Bußgelder eintreiben (bis zu 50 000 Euro wären möglich). Die Verhängung von Zwangsgeldern komme erst ins Spiel, wenn man sich nicht einigen könne, sagte der Leiter der Abteilung Wohnungswesen im städtischen Liegenschaftsamt. Kuhn drückte es so aus: Man erinnere Hauseigentümer daran, „dass sie mit dem grundgesetzlich geschützten Eigentum auch Geld verdienen können“. Wenn am Ende nur 600 bis 700 auf den Markt kämen, wäre schon viel erreicht, sagte der OB. Im Übrigen wolle er nach wie vor „unbedingt durchbringen“, dass dauerhaft pro Jahr mindestens 1800 Wohnungen in Stuttgart fertiggestellt werden, darunter 600 geförderte Wohnungen.

Befürworter erwarten große Effekte

„Wir müssen um jede Wohnung froh sein“, sagte Silvia Fischer (Grüne), und mit Appellen habe man es schon versucht. Udo Lutz (SPD) nannte die Vorlage „ausgewogen“. Christoph Ozasek (Die Linke) meinte, die Satzung könne sogar 4000 bis 6000 Wohnungen mobilisieren. Doch nicht nur Haus und Grund wettert. Kuhn solle sich mehr um Wohnungsneubau kümmern als so schwerwiegend in private Eigentumsrechte einzugreifen, sagte Joachim Rudolf (CDU). Konrad Zaiß (Freie Wähler) warnte vor Schnüffelei. Statt Zwang auszuüben, müsse man überzeugen, sagte Bernd Klingler (AfD). Preisgünstige Wohnungen bringe die Satzung nicht – ansonstn auch nur maximal 300 Wohnungen, meinte Michael Conz (FDP).