Standardisierte Systembauten im Kampf gegen den Wohnungsmangel. Im Bild der Bau von Flüchtlingsunterkünften in Stuttgart-Neugereut. Foto: Mierendorf

Wenn es nach der Bauwirtschaft geht, könnten bis Jahresende 40 000 neue Wohnungen im Land entstehen. Doch langwierige Verfahren und komplizierte Bauvorschriften bremsen.

Thomas Schleicher, Präsident der Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg, kommt sich derzeit ein bisschen wie Don Quijote in dem gleichnamigen Roman von Miguel de Cervantes vor. 'Beim Thema Wohnungsbau im Land kämpfen wir derzeit gegen Windmühlen', beschwert sich der Inhaber einer nordbadischen Bauunternehmung über die 'viel zu komplizierten' Bauvorschriften und 'langwierigen' Genehmigungsverfahren bei den Kommunen im Land. Thomas Schleicher nennt Beispiele. Durch standardisierte Systembauten könnten zwar in wenigen Monaten viele Geschosswohnbauten erstellt werden, doch die gesetzlichen Hürden in Sachen Wärme- und Lärmschutz sind hoch. 'Wenn wir die Vorschriften von heute nach dem Zweiten Weltkrieg gehabt hätten, würden die Flüchtlinge von damals immer noch in Zelten wohnen', merkt er an.

Wie schwer sich die Politik mit pragmatischen Lösungen tut, zeigt auch ein anderes Beispiel. Um die Kosten bei der Erstellung der Systembauten zu senken, könnten die elektrischen Leitungen auch auf Putz verlegt werden, schlug die Bauwirtschaft den Verantwortlichen in den Kommunen vor. Das komme gar nicht infrage. Die teuren Kupferleitungen könnten ja herausgerissen und verkauft werden, so die Antwort, erinnert sich Schleicher. Der Präsident der baden-württembergischen Bauwirtschaft ärgert sich darüber, dass angesichts der großen Herausforderungen im Wohnungsbau die Politik so schwerfällig reagiert und immer noch kein allgemeingültiges Lastenheft vorgelegt hat, in dem die Grundzüge für eine vereinfachte Bauweise von Systembauten festgezurrt ist. 'Auf Dauer können die Menschen nicht in den Massenunterkünften bleiben. Das ist kurz vor einem Hasenstall', sagt Schleicher weiter. Der Verband schätzt, dass in den nächsten Jahren allein für diese Menschen im Land rund 40 000 neue Wohnungen gebaut werden müssten. Doch bereits jetzt herrsche in den Ballungszentren eine große Wohnungsknappheit. Schon um den normalen jährlichen Bedarf an Wohnungen zu decken, wären zwischen 50 000 und 60 000 Wohneinheiten notwendig.

Bauland ist Angelegenheit der öffentlichen Hand

Dass es im Wohnungsbau nicht spürbar nach vorn geht, liege aber nicht an der Bauwirtschaft. 'Wir könnten die große Nachfrage jederzeit bewältigen. 'Der Bau kennt keine Obergrenze. Das ist alles eine Frage der Strategie und von Allianzen', erklärt er. Dass allerdings eine Ankurbelung der Baukonjunktur auch zum Beschäftigungsmotor für die Flüchtlinge werden könnte, sieht Thomas Schleicher nicht. Auch wenn die Bereitschaft der Betriebe groß sei, Flüchtlinge zu beschäftigen, hapere es in der Regel an der Qualifikation. Auf den meist hoch technisierten Baustellen werden kaum noch angelernte Hilfskräfte eingesetzt. 'Asylbewerber werden vier bis fünf Jahre brauchen, bis sie das notwendige Knowhow haben, um bei uns arbeiten zu können', macht der Präsident der Bauwirtschaft wenig Hoffnung auf kurzfristige Beschäftigungsmodelle. Doch zunächst einmal geht es darum, den dringenden Bedarf an Wohnraum zu befriedigen. 'Wir brauchen Bauland und den roten Punkt', und das sei die Angelegenheit der öffentlichen Hand, macht Schleicher deutlich.

Doch gerade mit der Abarbeitung der Baugenehmigungen hapert es in den Kommunen im Land. 'Die Personaldecke in den Städten und Gemeinden ist mittlerweile so ausgedünnt, dass sich der eigentliche Baubeginn aufgrund der sowieso schon langwierigen Genehmigungsverfahren noch weiter verzögert', kritisiert Schleicher. Das führt mitunter zu bizarren Situationen. Einige Ämter wüssten sich nicht mehr anders zu helfen, als dass sie bei der Bearbeitung der Bauanträge auf die Hilfe des Antragstellers setzen - zumindest was die Schreibarbeit betrifft. Andere Kommunen sollen die Mittel, die eigentlich für den Straßenbau vorgesehen sind, kurzfristig in die Finanzierung der Flüchtlingsunterkünfte stecken, weil den planenden Straßenbauämtern für die Erarbeitung der Ausschreibung schlichtweg das Personal fehle, zählt der Präsident auf. Obwohl nach Schleichers Erfahrung jeweils das Jahr vor einer Landtagswahl oder Bundestagswahl 'gute' Jahre für die Bauwirtschaft sind, prognostiziert er für das laufende Jahr keinen großen Schub für den Wohnungsbau. Lediglich bei den Flüchtlingswohnungen könnte es eine leichte Steigerung von ein bis zwei Prozent geben. Während Don Quijote den Kampf gegen die Windmühlen verlor, hofft Thomas Schleicher noch auf die Einsicht der Politiker und kommunalen Verwaltungen, dass nur rasche und pragmatische Lösungen zum Ziel führen.