Fertighaus für Flüchtlinge – hier ein Symbolfoto aus Berlin Foto: dpa

Viele Kommunen müssen neuen Wohnraum für Flüchtlinge schaffen. Doch bei den Bedingungen, um dafür eine finanzielle Spritze vom Land zu erhalten, gibt es so manche Tücke.

Stuttgart - Es ist kein Geheimnis, dass der Flüchtlingsstrom der vergangenen zwei Jahre die Kommunen vor große Herausforderungen gestellt hat. Vor allem für die sogenannte Anschlussunterbringung der bleibeberechtigten Flüchtlinge mangelte es vielerorts an Wohnraum. Auf diesen Umstand reagierte die Landesregierung zügig mit einem Förderprogramm, das sich Wohnraum für Flüchtlinge nennt. Dabei stellte sie ihren Städten und Gemeinden im Jahr 2015 zunächst 30 Millionen Euro zur Verfügung, im Jahr 2016 waren es dann 90 Millionen Euro.

Die Kommunen konnten Gelder aus diesen Töpfen beantragen, wenn sie vorhatten, neue Wohnungen zu bauen oder bestehende Unterkünfte zu kaufen oder zu erweitern. Es galt das Windhund-Prinzip: Wer zuerst kam, mahlte zuerst. Der Andrang war enorm, das Förderprogramm binnen weniger Wochen überzeichnet. Mehr als 100 Bewerber schafften es nur auf die Warteliste.

Vergabe im Windhund-Verfahren

Die Höhe der Fördermittel und die Vergabepraxis lösten auf kommunaler Seite Unmut aus. Auch, weil das Windhund-Verfahren so manche Stadt und Gemeinde dazu verleitete, Fördergelder zu beantragen, ohne bereits baureife Grundstücke zu haben. Und mittlerweile gibt es noch einen weiteren Kritikpunkt: Die zuständige L-Bank zahlt die Fördersumme – 25 Prozent der Investitionskosten – zwar unmittelbar nach der Bewilligung eines Antrags aus. Der Baubeginn muss aber spätestens neun Monate nach der Zusage erfolgen. Ansonsten wird der Zuwendungsbescheid unwirksam, und die Kommune muss dem Land die Förderung erstatten.

Das kommt in wenigen Tagen auch auf die Stadt Leinfelden-Echterdingen (Landkreis Esslingen) zu. Sie kann die Frist zwischen Förderzusage und Baubeginn bei einer geplanten Unterkunft für 63 Menschen im Örlesweg im Stadtteil Musberg nicht einhalten und muss rund 570 000 Euro zurückzahlen.

In Leinfelden-Echterdingen fehlt die Baugenehmigung

Den Bewilligungsbescheid für das Objekt hatte die 40 000-Einwohner-Stadt nach eigenen Angaben am 13. Mai 2016 erhalten. Doch erst musste aus naturschutzrechtlichen Gründen umgeplant werden, dann reichten Anwohner zwei Petitionen beim Landtag ein. Weil der Petitionsausschuss in beiden Fällen noch nicht entschieden hat, liegt der Baubeginn auf Eis. „Es gibt keine Baugenehmigung“, sagte Oberbürgermeister Roland Klenk (CDU) unserer Zeitung: „Wir können ja jetzt nicht einfach die Bagger auffahren und eine Baugrube ausheben lassen – nur, dass wir die Fördermittel behalten können.“

Den Petenten macht Klenk keinen Vorwurf. Es sei ihr gutes Recht, sagt Klenk. Vielmehr wünsche er sich für den Flüchtlingswohnbau eine flexiblere Förderrichtlinie: „Die Neun-Monate-Frist lässt die Realität völlig außer Acht“, klagt er. Es gebe bauplanrechtliche Verfahren, und es sei schwierig genug, mit der Bürgerschaft Orte für solche Neubauten zu finden.

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau hält dagegen. Der geregelte Maßnahmenbeginn innerhalb von neun Monaten diene „der zeitnahen Umsetzung“. Die Frist verhindere „eine dem entgegenstehende Antragstellung auf Vorrat“.

Nicht-Einhalten der Frist in zwölf Fällen

Das Beispiel aus Leinfelden-Echterdingen ist jedoch kein Einzelfall im Südwesten. Wie das Wirtschaftsressort auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte, wurde bislang in zwölf Fällen „mit der Maßnahme nicht innerhalb von neun Monaten begonnen“. Beim Gemeindetag heißt es dazu, es liege in der Natur der Sache, dass so große Aufgaben wie die Flüchtlingsunterbringung „nicht immer ganz genau zu allen Einzelheiten einer Förderrichtlinie passen“. Man hoffe deshalb, dass in Fällen, in denen es zu Abweichungen komme, „vernünftige und pragmatische Lösungen gefunden werden, die nicht zulasten derer gehen, die daran mitgewirkt haben, den dringend notwendigen Bau von Unterkünften voranzubringen“.

Auf Ausnahmeregelungen können die betroffenen Kommunen aber offensichtlich nicht hoffen. Es bestehe die Möglichkeit einer erneuten Antragstellung, heißt es aus dem Haus von Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Zudem stehe es ihnen frei, Mittel aus anderen Wohnbau-Förderprogrammen zu beantragen. Das werde man versuchen, sagt OB Klenk. Wahrscheinlicher ist aber, dass andere Dinge im Haushalt zurückgestellt und die 570 000 Euro aus eigener Kraft bestritten werden müssen. „Dann“, sagt Klenk, „wären wir die Dummen.“