Ein seltener Anblick in Stuttgart: Mietwohnungen sind Mangelware Foto: dpa-Zentralbild

Hausbesitzer in Stuttgart bekommen unter bestimmten Umständen eine Genehmigung zur Umwandlung von Wohnraum. Das Zweckentfremdungsverbot gilt in diesen Fällen nicht.

Stuttgart - Der Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen in Stuttgart ist seit Jahren groß. Da immer wieder Wohnungen leer stehen oder in Privatunterkünfte für Touristen umgewandelt werden, hat der Gemeinderat mit den Stimmen der öko-sozialen Mehrheit von Grünen, SPD sowie SÖS-Linke-Plus, den Stadtisten und OB Fritz Kuhn dem Zweckentfremdungsverbot zugestimmt. Es gilt seit 1. Januar 2016. Allerdings macht die Stadt Ausnahmen.

An der Werastraße sanierte eine Versicherungsgesellschaft ein Bürogebäude mit Wohnung. Der einzige Bewohner war dort früher als Hausmeister tätig und hat den Mietvertrag behalten können. Nun beklagt der Vorsitzende des Mietervereins, Rolf Gaßmann, den Versuch der Versicherung, die Wohnung des Mieters umzuwandeln. Auf dem Teilbaufreigabeschein ist eine „Änderung Wohnung in Teeküche“ angekündigt. Gaßmann: „Uns verwundert, warum die Stadt noch am 15. August 2016 die Baufreigabe erteilte.“ Von der Versicherungsgesellschaft erhielt Gaßmann die Auskunft, dass die Mietwohnung „kein Bestandteil der aktuellen Revitalisierung beziehungsweise Baumaßnahme des Objektes Werastraße 23“ sei. Auch gegenüber dieser Zeitung versichert das Unternehmen, dass der Mieter in seiner Wohnung bleiben könne. Das Bürogebäude sei inzwischen vermietet, „der neue Mieter hat dies vertraglich zugesichert“.

Statistik erst im nächsten Jahr

Grundsätzlich ist es möglich, dass sich Bauherren eine Zweckentfremdung genehmigen lassen können. Laut Satzung kann die Stadt die Zweckentfremdung erlauben, „wenn vorrangige öffentliche Interessen, zum Beispiel der Bau einer Kita, zur Beseitigung einer Wohnung führen, wenn Ersatzwohnraum beschafft werden kann oder wenn eine Ausgleichszahlung geleistet wird“, sagt Kerstin Rickes, die Leiterin des Baurechtsamts. Die Genehmigung gelte für den Zeitraum von zweieinhalb Jahren, der Bauherr sei „nicht gezwungen, sie sofort auszuschöpfen“.Über kurz oder lang, fürchtet der Mieter, „werden die mir vorschlagen, den Umzug in eine andere Wohnung zu bezahlen. Aber bei derzeit 1000 Euro Warmmiete ist es nicht einfach, was Gleichwertiges zu finden.“ Wie viele Bauherren seit Jahresanfang eine Ausnahmegenehmigung beantragt haben und in wie vielen Fällen die Stadt eine Genehmigung erteilt hat, sei noch nicht statistisch erhoben. „Wir werden Anfang nächsten Jahres einen Bericht über das erste Jahr der Zweckentfremdungssatzung abgeben“, so Kerstin Rickes.