Jüdische Zeichen vor dem Neuen Schloss beim Chanukkafest Foto: dpa

Zur Woche der Brüderlichkeit: 70 Jahre Stationen der christlich-jüdischen Begegnung

Stuttgart - Der 9. Juni 1945 markiert beinahe ein Wunder: An diesem Tag bildete sich in Stuttgart die jüdische Gemeinde wieder. Gerade einen Monat nach dem Ende der Shoah. Genau 70 Jahre sind seither vergangen. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Stuttgart (GCJZ) nahm daher die Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit und ihr bundesweites Motto „Im Gehen entsteht der Weg“ zum Anlass für ein Zeitpanorama. Mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRGW) wurden im Hospitalhof am Montag Stationen der christlich-jüdischen Begegnung in Stuttgart in diesen 70 Jahren beleuchtet.

„Es waren meist Juden aus Osteuropa, die den Holocaust überlebt hatten und in Stuttgart als Displaced Persons (DP) ankamen“, schilderte IRGW-Vorstandssprecherin Barbara Traub die Anfänge. Die meisten wollten weiter, vor allem nach Palästina. Wie Josef Warscher. Er hatte das KZ überlebt und war überzeugt, dass es für Juden hier keine Zukunft gebe. Doch er blieb, heiratete und wurde eine Säule des Gemeindelebens. „Die Juden vertrauten wieder Deutschland“, betonte Roland Müller, der Leiter des Stadtarchivs, „der Plan Hitlers von einem judenfreien Deutschland war gescheitert.“

Im Jahr 1948 wurde die GCJZ für christlich-jüdische Begegnungen gegründet. Doch die Gemeinde blieb, so Traub, ein Rückzugsraum. Die Offenheit, wie man sie heute aus der mittlerweile auf 3000 Mitglieder angewachsenen Gemeinde kennt, brauchte Zeit.

Im Gespräch mit der Moderatorin Katharina Eickhoff würdigte die Journalistin Amber Sayah den Architekten Ernst Guggenheimer. Er hatte im Untergrund überlebt, nachdem er nach dem Pogrom vom 9. November 1938 die Perfidie der Nazis erlebt hatte und die Trümmer der verbrannten Synagoge wegräumen musste. Zusammen mit KZ-Gefangenen. Nun baute er 1951 die neue Synagoge am alten Ort.

„Das Wissen um die Zeitgeschichte hat uns verpflichtet, wir mussten etwas tun“, antwortete Rolf Thieringer, ehemaliger Erster Bürgermeister auf die Frage, warum die Stadt von 1983 bis 2002 ehemalige jüdische Mitbürger eingeladen habe: „In 19 Jahren kamen 1300 einstige Stuttgarter und die Begegnungen waren von Vertrauen getragen“.

„Jüdisches Leben und die Gemeinde sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, betonte Bürgermeister Martin Schairer. „Die Richtung des gemeinsamen Weges stimmt“, versicherte Traub. Doch das Ziel erfordert neue Anstrengungen, die Monika Renninger, Leiterin des Hospitalhofes, postulierte: Den religiösen Trialog auch mit Muslimen, eine neue Gedenkkultur und alle Energie gegen den Antisemitismus.“