Die Ernährungswissenschaftlerin Christine Lambert ist gegen Dogmen bei der Ernährung. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Obwohl vieles für einen saisonal und regional ausgerichteten Küchenplan spricht, ist die Ernährungswissenschaftlerin Christine Lambert gegen Dogmen. Manchmal seien Tiefkühlprodukte sogar eine bessere Option als „frische“ Ware.

Stuttgart - Mag der Frühling auch vor der Türe stehen – bis zum Beginn der Spargelsaison ist noch lange hin. Aber wie ernährt man sich gesund und abwechslungsreich, wenn die heimische Natur gerade nicht so viel hergibt? Im Interview spricht Christine Lambert über das „Superfood“ Sauerkraut und zunehmende Nahrungsmittelintoleranzen.

Frau Lambert, was haben Sie sich denn zuletzt Schönes gekocht?
Gestern eine Lauch-Gorgonzola-Blätterteigtasche mit Sesam und Schwarzkümmel.
Sehr gut, Lauch, ein Wintergemüse! Ich habe ein Ratatouille gemacht, mit Auberginen, Tomaten, Zucchini und Paprika. Ist zu dieser Jahreszeit verboten, oder?
(lacht) Um Gottes Willen! Sie werden, auch wenn Sie sich saisonal, regional ernähren, nicht auf jedes Sommergemüse verzichten müssen, sonst wird es doch etwas einseitig. Mal abgesehen davon, dass Kaffee und Tee auch nicht regional sind.
Ohne das wäre es schon „brutal lokal“, wie hippe Berliner Köche ihr Konzept nennen. Aber welche guten Gründe sprechen aus Sicht der Ernährungswissenschaft für eine regionale, saisonale Ernährung?
„Brutal lokal“ ist mehr eine politische Botschaft. Aber es gibt auf jeden Fall gute Gründe für eine regionale, saisonale Ernährung. Wintergemüse sind sehr vitaminreich, eigentlich vitaminreicher als viele Sommergemüse. Man bekommt eine große Portion an Betacarotin, Vitamin C und Mineralstoffen. Und wenn man sie entsprechend zubereitet, sind sie gar nicht so eintönig. Aber viele Leute essen keine Schwarzwurzeln, keine Steckrüben, keine Pastinaken – selbst die klassischen Krautsorten werden kaum noch verzehrt.
Dabei haben wir „Krauts“ doch dieses Superfood direkt vor der Haustür.
Genau, und neben Vitamin C enthält Sauerkraut viele Ballaststoffe und auch sekundäre Pflanzenstoffe, die der Krebsentstehung vorbeugen sollen. Jedenfalls stecken viele gute Sachen drin, die wahrscheinlich erst durch ihr Zusammenspiel ihre gesundheitliche Wirkung entfalten.
Ich habe jetzt mit Absicht Superfood gesagt, ein trendiger Begriff für nicht gerade regionale Produkte.
Der Begriff wird tatsächlich nicht für heimische Lebensmittel verwendet. Aber statt Chia-Samen kann man genauso gut Leinsamen nehmen. Das ist aber ein alter Hut, will keiner hören, lässt sich auf dem Titelblatt nicht so gut verkaufen. Oder statt Goji-Beeren einfach Heidelbeeren. Ich sehe das nur als Marketingstrategie. Und gerade Superfoods sind teilweise stark mit Pestiziden belastet. Auch bei gängigem Obst und Gemüse ist die Pestizidbelastung bei vielen Produkten aus Übersee oder nicht EU-Staaten häufig höher als bei heimischen.