Das City Gate nahe des Hauptbahnhofs – Büroflächen in der Stadt sind heiß begehrt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Immobilienexperten warnen vor Engpass bei Büroflächen. Bauträger klagen, neue Bauprojekte seien in der Stadt kaum zu realisieren. Die Verwaltung befürchtet aktuell jedoch keine weiteren Abgänge großer Arbeitgeber.

Stuttgart - Nie waren die Büroflächen in Stuttgart besser ausgelastet. Doch statt zu jubeln, schlagen Experten Alarm: Aufgrund der inzwischen äußerst geringen verfügbaren Fläche bestehe die Gefahr, dass Firmen abwandern und Arbeitsplätze verloren gehen. Unternehmen am Standort können sich nicht entwickeln, neue nicht ansiedeln, so die Befürchtung. In der Region sieht man der Entwicklung gelassen entgegen und zeigt sich aufnahmebereit für die Unternehmen, welche die Landeshauptstadt verlassen.

Weniger als drei Prozent der Büroflächen in Stuttgart stehen derzeit leer. Das ist der niedrigste Wert unter Deutschlands Großstädten. Zum Vergleich: In Düsseldorf liegt die Quote bei 7,5 Prozent, in Frankfurt bei 11,4 Prozent, in Köln bei 5,6 Prozent.

„Das klingt zunächst sehr positiv. Doch aus meiner Sicht sind Werte unter fünf Prozent kritisch zu bewerten“, erklärt Alexander Veiel, der Leiter der Makler von Jones Lang Lasalle in Stuttgart. Es bestehe zu wenig Flexibilität für die Unternehmen, die am Standort sind und sich in der Fläche vergrößern wollen, so Veiel weiter. Auch Neuansiedlungen seien schwierig. „Das kann zum Verlust von Arbeitsplätzen führen“, so Veiel.

Imposante Liste abgewanderter Firmen

Zum Verständnis: Derzeit existieren in Stuttgart rund 7,7 Millionen Quadratmeter Bürofläche. Doch davon sind lediglich 219 000 Quadratmeter verfügbar. Diese Zahlen gehen aus den aktuellen Marktberichten der Makler von Colliers International oder Ellwanger und Geiger hervor. Bedenkt man zudem, dass der Umsatz an Bürofläche im vergangenen Jahr mit 431 000 Quadratmeter deutlich über der noch verfügbaren Flächenreserve liegt, erscheinen die Befürchtungen nachvollziehbar.

Stuttgart kann eine imposante Liste an großen Arbeitgebern vorweisen, die der Stadt über die Jahre den Rücken gekehrt haben. Die Wirtschaftsprüfer von Ernst und Young haben ihre 1500 Mitarbeiter in einem Neubau am Flughafen und somit auf der Markung von Leinfelden-Echterdingen angesiedelt. Die Wüstenrot-und-Württembergische-Gruppe hat im vergangenen Jahr verkündet, ihre 2400 Mitarbeiter aus Stuttgart in den kommenden Jahren größtenteils in einen neuen Unternehmenscampus in Kornwestheim (Landkreis Ludwigsburg) verlagern zu wollen. Der französische Technik- und Rüstungskonzern Thales hat seine Deutschlandzentrale jüngst von Zuffenhausen nach Ditzingen, und somit ebenfalls in den Landkreis Ludwigsburg, verlagert.

Was die Stadt an Jobs und damit auch an Gewerbesteuereinnahmen verliert, kommt dem Umland zugute. Daher erscheint es nur logisch, dass man die Entwicklung dort nicht negativ bewertet. „Die Region hat in den vergangenen Jahren einige große Flächennachfragen, die in der Landeshauptstadt nicht mehr bedient werden konnten, aufgefangen“, bestätigt Walter Rogg, der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart. Und: „Die Region verfügt zudem über attraktive Potenziale für Büroprojekte an 1-a-Standorten mit direktem S-Bahn-Anschluss.“ Auch seien Standorte wie der Flughafen „letztlich als Stuttgarter Adresse zu sehen – auch wenn sich der Standort außerhalb der Stuttgarter Markung befindet“.

Zusätzlich zum geringen Leerstand wird wenig neu gebaut

Das Problem werde in Stuttgart nach Aussage zahlreicher Bauträger großer Gewerbeimmobilien zusätzlich durch langwierige Genehmigungsverfahren für Neubauten verschärft. Das Ergebnis: „In einem Markt mit einer derart niedrigen Leerstandsquote würde man eigentlich eine rege Neubautätigkeit vermuten“, erklärt Alexander Veiel und fügt an: „Dennoch stellen wir fest, dass die Projektentwicklungen für Büros doch eher gering sind.“ Glaubt man den Prognosen verschiedener Experten, wird sich Stuttgart beim Neubau von Büroflächen auch in den kommenden Jahren im Vergleich der Großstädte am unteren Rand der bewegen.

Doch trotz des geringen Leerstands und der geringen Neubautätigkeit gibt man sich im Rathaus gelassen. „Die Makler müssen sich keine Sorgen machen“, sagt Detlef Kron, Leiter des Stadtplanungsamts. Man wolle Standortsicherung und keine Bautätigkeit auf Vorrat betreiben, so Kron weiter. Und: „Es gibt aktuell keine konkreten Anzeichen für weitere Abwanderungen.“