Beim Betrug geht es oft ums Geld. "Jeder kann betrogen werden", sagt Wirtschaftsdetektiv Medard Fuchsgruber. Foto: dpa

Medard Fuchsgruber ist Wirtschaftsdetektiv. Er spricht über aktuelle Maschen von Betrügern.

Stuttgart - Er ist einer der bekanntesten Wirtschaftsdetektive in Deutschland. Mit seinen Recherchen hat Medard Fuchsgruber Opfern von Schrottimmobilien zu ihrem Geld verholfen und die Geschädigten der Bausparkasse Badenia unterstützt. "Jeder kann betrogen werden", sagt er.

Herr Fuchsgruber, es heißt, Sie haben immer einen Wachhund dabei. Haben Sie Angst?
Ich habe zwei - es sind Schwarze Russisch-Terrier. Echte Wachhunde sind es aber nicht, dazu fehlt ihnen der antrainierte Killer-Instinkt. Aber ich gebe zu, dass mich ihre Anwesenheit beruhigt.

Wurden Sie schon einmal bedroht?
Nur am Telefon: "Wir kommen vorbei und schlagen dich zusammen", oder Ähnliches. Morddrohungen gab es aber glücklicherweise noch nicht. Solche Leute neigen ohnehin nicht dazu, mit dem Baseballschläger vorbeizuschauen, sie schicken Anwälte. Diese können weitaus gefährlicher sein - Betrüger haben oft die besten Anwälte.

Was meinen Sie damit?
Der Anwalt versucht, mit einer einstweiligen Verfügung oder einer Schadenersatzklage einem die Arbeit schwerzumachen. Und all diese rechtlichen Auseinandersetzungen nehmen viel zu viel Zeit und Energie in Anspruch. Das zermürbt.

Ihre Detektei hat acht Mitarbeiter. Da kämpfen Sie doch wie einst David gegen Goliath.
Nicht die Größe des Teams ist ausschlaggebend, sondern die Qualität. Im Grunde brauchen wir nur den einen Fehler, aus dem wir den Schadenersatzanspruch ableiten können. Außerdem kooperieren wir mit großen Rechtsanwaltskanzleien. Bei der Klage gegen die insolvente US-Bank Lehman Brothers haben wir von vornherein mit knapp einem Dutzend Kanzleien zusammengearbeitet, die unterschiedlich spezialisiert waren. So konnten wir schnell herausfinden, wie und warum die umstrittenen Zertifikate an deutsche Kunden verkauft und dass permanent gegen Bilanzierungsvorschriften und Regularien verstoßen wurde.

Wie finden Sie so etwas heraus?
Wir durchforsten Datenbanken nach internen Quellen und führen regelrechte Materialschlachten. Man muss alle Bilanzen sammeln, und wenn man sie versteht, hat man bereits die erste Spur. Dafür setzen wir auch unsere Auskunftsansprüche bei Behörden vehement durch. Dann gilt es, den Datenwust zu sortieren, auszuwerten und zu bewerten. Um Strukturen zu erkennen, zeichnen wir Organigramme. Das größte war 7 Meter breit, teilweise mehr als 1,8 Meter hoch, alles in einer Schriftgröße von 8 Punkt und umfasst mehrere Hundert Firmen, die miteinander verstrickt sind.

Was für ein Typ muss man für diese Arbeit sein?
Man braucht ein Faible fürs Detail, muss wissen, wie man komplexe Sachen überschaubar macht. Geduld ist dabei mit am wichtigsten, denn die Verfahren dauern teilweise jahrelang. Da hilft es, wenn man Einzelschicksale vor Augen hat.

Können Sie ein Beispiel geben?
Der Fall der Badenia war für mich einer der bewegendsten und grausamsten. Damals haben die Leute pinselsanierte Schrottwohnungen zu einem vollkommen überteuerten Preis verkauft bekommen. Die Mietzahlungen fielen aus, die Kredite und die wertlosen Wohnungen blieben. Eine Anlegerin hat sich das Leben genommen. Wir haben für die Leute in vielen Fällen die komplette Prozessfinanzierung übernommen, gegen eine Gebühr von 5 Prozent im Erfolgsfall. Die Verfahren haben sich teilweise über Jahre hingezogen, aber wir haben es geschafft.

Was sind die aktuellen Maschen der Betrüger?
Die Angst vor der Inflation und einem schwachen Euro lässt Anleger für dubiose Produkte anfällig werden. Die Leute wollen für ihr Geld einen sicheren Hafen finden. Zum Beispiel sind Goldminen-Anteile wieder beliebt. Weil die Preise explodiert sind, argumentiert ein potenzieller Betrüger: "Hättest du sie bereits vor zwei Jahren gekauft, dann wärst du heute reich." Dass es wegen der hohen Preise aber derzeit heikel ist, Gold zu kaufen, verschweigt er. Vielleicht verschweigt er auch, dass der Kunde gar nicht auf das Gold zugreifen kann, weil es im Ausland hinterlegt ist oder die Goldmine nur auf dem Papier existiert.

Was ist mit Schrottimmobilien, also mit maroden Wohnungen und Häusern, die weit über Wert veräußert werden?
Auch hier finden sich genügend Käufer. Man biete ihnen eine schöne Modellwohnung, für diese einen noch schöneren Prospekt - die realen Häuser möglichst weit weg vom Kunden gelegen, damit er sie sich nicht anguckt und darauf kommt, dass das alles andere als eine gute Anlage ist.

Wie schaffen es Betrüger eigentlich, dass ihnen so viele Leute vertrauen?
Indem sie zum Beispiel renommierte Namen einbauen: "Unser Konto wird bei der Schweizer Großbank UBS geführt, wir werden von den Wirtschaftsprüfern PwC kontrolliert." Das hat überhaupt nichts zu sagen, wirkt aber gut. Auch Fußball spricht an. Die Göttinger Gruppe hat zum Beispiel Hunderttausende Anleger mit Kapitalanlagen abgezockt - war aber Sponsor des VfB Stuttgart. "Können Sie sich vorstellen, dass wir für den VfB werben, wenn wir kein tolles Unternehmen wären?" Das hinterfragt keiner, das will auch keiner hinterfragen.

"Das Schuldbewusstsein der Betrüger geht gegen null"

 Zugespitzt könnte man sagen: Die Kunden wollen geradezu betrogen werden.
Das kann man so nicht sagen, man darf die Psychologie nicht unterschätzen. Die meisten Betrüger haben ein einnehmendes Wesen, können andere begeistern. Sie haben sich ja selbst in ihrer Scheinwelt eingerichtet: "Im Grunde ist der Kunde ja selbst schuld, wenn er mir Geld gibt", denken sie, "dass mein Angebot nicht koscher sein kann, sieht man doch." Das Schuldbewusstsein der Betrüger geht gegen null.

Wie viel Startkapital braucht man für einen professionellen Betrug?
Eine halbe Million Euro muss man schon investieren, um dann bis zu 100 Millionen Euro abzocken zu können. Die braucht man für ordentliche Prospekte, ein schönes Büro, einen überzeugenden Internetauftritt, Auto, Personal - die Show, die dazugehört. Wenn es mal läuft, kann man ja von den Betrugsgeldern schöpfen.

Viele Anleger begehen nach der ersten Dummheit oft noch eine zweite. Weshalb lernen sie so wenig daraus?
Wird der Anleger das erste Mal betrogen, will er nicht zugeben, dass er an den Betrug geglaubt hat und von etwas überzeugt war, das gar nicht funktionieren konnte. Er möchte sich selbst beweisen, dass er damals keinen Fehler gemacht hat - und macht es noch mal. Betrüger können mit diesem Verlangen spielen, das ist wie ein Trojaner, den sie bei den Anlegern eingeschleust haben.

Hatten Sie selbst schon mal einen schwachen Moment?
Niemand ist davor gefeit, auch ich habe schon Geld verloren. Aber ich habe nie so viel investiert, dass es meine Existenz gefährdet hätte. Es handelte sich um Aktien, dass ich ein Risikogeschäft eingehe, war mir bewusst.

Sie kritisieren den unzureichenden Anlegerschutz in Deutschland. Schickt der Staat seine Bürger ins Verderben?
Teils ja. Er sagt uns zum Beispiel, wir sollen uns selbst um unsere Altersvorsorge kümmern, verschweigt aber, dass es dort wie in einem Minenfeld zugeht. Dass zum Beispiel für die Vorsorge hochspekulative Zertifikate von Lehman Brothers verkauft wurden. Die Anlegerschutzgesetze sind löchrig - auch wenn die Politik anderes behauptet.

Was muss sich am Anlegerschutz verbessern?
Momentan haben wir in Deutschland Kapital-Autobahnen, die aber kaum gekennzeichnet sind - weder gibt es Leitplanken noch Regelungen, ob man z. B. nachts mit Licht fahren muss. Die hochspekulativen Bereiche müssen kenntlich gemacht und stärker geregelt werden. In den USA haben riskante Papiere die Farbe Rosa, das erkennen die Kunden sofort. Wir müssen auch mehr Wissen zum Bürger bringen, wir brauchen Anlage-Ninjas, Privatpersonen, die die Komplexität dieser Anlagen überschauen und kritisch beurteilen können. Über Autos weiß fast jeder irgendwie Bescheid oder kennt jemanden, der sich auskennt. Kapitalanlagen können die wenigsten beurteilen. Wir brauchen also mehr Behörden-Anlaufstellen, auch auf dem Land.

Man nennt Sie den Robin Hood der Kleinanleger. Was halten Sie selbst davon?
Den Anspruch habe ich nicht. Ich verdiene ja Geld mit meiner Arbeit.

Diese Frage können wir Ihnen nicht ersparen: Durchwühlen Sie auch Mülltonnen?
Dort finden sich mitunter die besten Spuren. Neulich hatten wir zum Beispiel einen Fall, dass Papiere im Müll gelandet sind, ohne dass sie geschreddert waren. Zum Glück erleichtert die Mülltrennung inzwischen die Arbeit: Heutzutage kleben nicht mehr die Bananenschalen an den Unterlagen.