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Experten befürchten, dass Baden-Württemberg als Wiege des Automobils in Sachen Elektromobilität ins Hintertreffen geraten könnte.

Stuttgart - Experten befürchten, dass Baden-Württemberg als Wiege des Automobils in Sachen Elektromobilität ins Hintertreffen geraten könnte. Sie haben an die Landesregierung appelliert, hier eine Führungs- und Koordinierungsrolle zu übernehmen.

Autohersteller, Zulieferer und Institute arbeiten längst an der Elektrifizierung des Antriebs, auch wenn der Verbrennungsmotor noch die nächsten 20 bis 30 Jahre das "Brot-und-Butter-Geschäft" sein wird. "Elektromobilität muss sichtbar werden und raus aus den Laboratorien rein in die Wirklichkeit", sagte Herbert Kohler, Leiter Konzernforschung und Vorentwicklung Fahrzeugbau und Antrieb der Daimler AG, bei einer Expertenanhörung im Staatsministerium in Stuttgart. Das Land müsse Gas geben, die Kräfte bündeln und eine Landesinitiative starten, waren sich die Fachleute aus Unternehmen und Insituten einig.

Ein Vorschlag von Ministerpräsident Günther Oettinger, sich Anfang nächsten Jahres in gleicher Runde wieder zu treffen, ging vielen nicht weit genug. Man sollte so lange nicht warten, mahnten die Fachleute. Hören konnte das Oettinger nicht, denn er war vorzeitig zu einer Kabinettsitzung entschwunden. Deshalb überbrachte er der Runde auch nicht selbst seine Vorschläge. Diesen Part übernahm Europaminister Wolfgang Reinhardt für Oettinger.

"Noch 2009 müssen wir den Sack zumachen", mahnte etwa Daimler-Manager Kohler eindringlich, denn Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen seien massiv in den Startlöchern. Offenbar sieht sich Nordrhein-Westfalen schon in der Favoritenrolle und will diese auch beim IT-Gipfel am 8. Dezember in Stuttgart ausspielen. Gipfelthema ist auch Elektromobilität. Dabei geht es vor allem um die Abrechnung beim Aufladen der Batterien, wie SAP-Forschungschef Lutz Heuser erläuterte. "Wir müssen beim IT-Gipfel so aufgestellt sein, dass man ein Konzept auf den Tisch legen kann", so auch der Appell von Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster. "Koordination tut not."

Gefordert ist das Land etwa bei der Infrastruktur. "Wir sollten uns gedanklich freimachen davon, dass wir Elektrofahrzeuge in der Garage aufladen", so Daimler-Manager Kohler. Man brauche eine Batterielade- und Wasserstoffinfrastruktur ergänzend zum heutigen Tankstellennetz. Es gehe um städtebauliche Fragestellungen und die politischen Voraussetzungen für die Einführung der Elektromobilität, sagte auch Franciscus van Meel von der Audi AG. "Das Staatsministerium muss den Taktstock schwingen", pflichtete auch Porsche-Forschungschef Wolfgang Dürheimer bei, was die Koordinierung der unterschiedlichen Partner angehe.

"Die Landesregierung kommt bei der Elektromobilität erneut viel zu spät aus den Puschen", monierte Industriepolitiker Peter Hofelich für die SPD-Fraktion. Es fehle ein klares Konzept der Oettinger-Regierung.

Bosch etwa plant den Bau eines neuen Werkes in Europa, um Batteriezellen und Batteriepack zu produzieren. Wenn die Rahmenbedingungen stimmten, könnte der Standort auch in Baden-Württemberg liegen, sagte der für Elektrofahrzeuge zuständige Bosch-Manager Roland Ehniß.

Bundesweit könne die Elektromobilität rund 50000 zusätzliche Arbeitsplätze bringen, rechnet Jürgen Garche vom Stuttgarter Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) vor. Nach einer Prognose der Bundesregierung im Nationalen Entwicklungsplan E-Mobilität könnten bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge am Markt sein, das wären zwei Prozent des Gesamtbestands. Bei einer Leistung von 20 Kilowatt erfordert dies eine installierte Ladeleistung von 20000 Megawatt. Zum Vergleich: Die Jahreshöchstlast in Deutschland liegt bei 80000 Megawatt. Die Lösung könne nur über eine intelligente vernetzte Regelung der Nachfrage erfolgen, sagte EnBW-Chef Hans-Peter Villis.

Als erster Schritt soll nun eine Stabsstelle Elektromobilität im Staatsministerium eingerichtet werden und mit den Partnern in ein gemeinsames Koordinierungsbüro überführt werden. Dadurch könnten die Aktivitäten im Land besser gebündelt werden, sagte Oettinger nach der Kabinettsitzung.