Jugendliche ohne Perspektive: Joel Basman in „Wir sind jung. Wir sind stark.“ Foto: Verleih

Rostock-Lichtenhagen, eine Mustersiedlung der vor Kurzem vergangenen DDR, im ­August 1992. Der Sohn, anfällig für die von einem Neonazi gelenkten Gruppe. Mit der Pegida-Bewegung bekommt Burhan Qurbanis Erinnerungsfanal eine brisante Aktualität.

Filmkritik zum Kinofilm "Wir sind jung. Wir sind stark."

Zu DDR-Zeiten war Rostock-Lichtenhagen eine Mustersiedlung, nicht jedermann durfte die Plattenbauten beziehen. Kein sozialer Brennpunkt also, doch dann brennt im August 1992 das sogenannte Sonnenblumenhaus. Angefackelt von orientierungslosen jungen Deutschen, mit hässlichem Applaus angefeuert von anwohnenden Sympathisanten. Man müsse „mal aufräumen“, grölt das Nachwendevolk.

Aufräumen mit Sinti und Roma in der Zentralen Aufnahmestelle, mit den ungeliebten „Fidschis“, Menschen aus Vietnam, die per Staatsvertrag als Arbeitskräfte oder zum Studium in die DDR kamen. Und die Welt sitzt vor den Fernsehern und kann die Bilder vom „bösen Deutschen“ nicht fassen.

Burhan Qurbani bedient sich in seinem brillant recherchierten Spielfilm dokumentarischer Stilmittel, die Kameramann Yoshi Heimrath zunächst in schwarz-weiße, später in farbige Bilder setzt. Sie zeigen Denk- und Handlungsperspektiven. Komplett überfordert sind Polizei und Lokalpolitiker. Devid Striesow als SPDler entzieht sich und hört zu Hause Musik. Erst als ihm klar wird, dass sein Sohn (fantastisch: Jonas Nay) in die Krawalle verstrickt ist, fährt er zum Tatort.

Höchst differenziert befasst sich Qurbani mit dem Psychogramm dieses Sohnes, zeigt seine Anfälligkeit für die von einem Neonazi gelenkten Gruppe. Mit der Pegida-Bewegung bekommt Qurbanis Erinnerungsfanal eine brisante Aktualität.

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