Windrad auf dem Feld bei Welzheim Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die EnBW beantragt beim Regierungspräsidium in Stuttgart eine Ausnahmegenehmigung vom Artenschutzrechtlichen Tötungsverbot, um zwei Windräder bei Adelberg Windräder bauen zu können.

Adelberg - Würden nicht mehrere Bürgerinitiativen gegen das Projekt ankämpfen, wäre das Vorgehen der EnBW womöglich nicht bekannt geworden: Der Stromkonzern hat bereits im Juni beim Stuttgarter Regierungspräsidium eine Ausnahmegenehmigung vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot von Rotmilanen beantragt, um bei Adelberg zwei Windräder bauen zu können. Die beiden geplanten Anlagen zwischen Adelberg und Börtlingen sollen mit 230 Metern Gesamthöhe die höchsten ihrer Art in der Region werden – liegen aber offenbar mitten in einem regelmäßig von Rotmilanen frequentierten Flugkorridor. Sie könnten damit leicht zu einer Todesfalle für die Greifvögel werden.

Weil alleine die Behörde über solche Anträge entscheidet und Naturschutzverbände dazu nicht gehört werden, hätte der Antrag durchgehen können, ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz genommen hätte. Tatsächlich liegen bisher weder beim Naturschutzbund, noch beim Bund für Umwelt- und Naturschutz oder beim Landesnaturschutzverband in Stuttgart Informationen darüber vor. Die Naturschützer kennen den Antrag und seine Begründung nur vom Hörensagen und können deshalb keine Stellungnahme dazu abgeben. Allerdings steht die Befürchtung im Raum, dass der Artenschutz im Land mit solchen Ausnahmeregelungen ausgehöhlt werden könnte.

Bürgerinitiative bezweifelt, dass es genügend Wind gibt

Die Bürgerinitiative Pro Schurwald, die gegen mehrere Windkraftprojekte kämpft, hält dem Land vor, dass es die EnBW zu seinem Erfüllungsgehilfen mache. „Mit Hilfe der EnBW soll der Ausbau der Windkraft auch an ungeeigneten Standorten mit Brachialgewalt durchgesetzt werden“, mutmaßt der Sprecher Michael Haueis und fasst zusammen: Ein landeseigener Konzern stelle Bauanträge für Standorte, an denen private Investoren wenig Interesse hätten, für Ausnahmegenehmigungen seien Landesbehörden zuständig, Windkraftmessungen gebe es kaum.

Die Bürgerinitiative hat nämlich neben dem Artenschutz noch ein weiteres Argument gegen die geplanten Anlagen bei Adelberg – und an anderen Standorten auf dem Schurwald – parat: Nach ihrer Ansicht weht der Wind dort nicht stark genug. Sie fordert deshalb, dass die EnBW zunächst ein Windkraftgutachten vorlegt, das beweist, dass sich Windräder überhaupt rentieren würden. Private Investoren müssten solche Gutachten in aller Regel bei den Banken vorlegen, wenn sie Kredite beantragten. Die EnBW hingegen weigere sich, solche Gutachten erstellen zu lassen.

EnBW argumentiert mit dem öffentlichen Interesse

Rotmilane stehen hierzulande unter Schutz. Weil sie durch Windkraftanlagen besonders gefährdet sind (siehe „Ein stolzer Segler in Not“), müssen diese einen Abstand von mindestens 1000 Metern zu deren Brutstätten haben. Auch in regelmäßig genutzten Flugkorridoren der Vögel können Windkraftanlagen von den Behörden verboten werden.

Die EnBW argumentiert, dass es in dem Gebiet keine brütenden Milane gebe, sondern es von ihnen lediglich regelmäßig überflogen werde. Daher sei die Gefahr für die Greife vernachlässigbar, und das öffentliche Interesse am Ausbau der regenerativen Energien wiege höher. Aus diesem Grund habe das Land im Juli des vergangenen Jahres auch die Option eröffnet, in solchen Fällen eine Ausnahmegenehmigung vom Tötungsverbot der Rotmilane zu machen. Im Stuttgarter Regierungspräsidium laufen laut der Behörde zurzeit drei Anträge auf solche Genehmigungen. Es sind die ersten ihrer Art. Im Bereich des Tübinger Regierungspräsidiums wurde bereits einem solchen Antrag entsprochen.

Gegen den Einwand der Initiative, dass es zu wenig Wind bei Adelberg gebe, bringt die EnBW vor, dass sie fünf Monate lang Messungen gemacht habe. „Wir würden nicht bauen, wenn die Anlage nicht wirtschaftlich zu betreiben wäre“, sagt die Sprecherin Dagmar Jordan. „Wir haben genügend Unterlagen, die zeigen, dass die Windgeschwindigkeit bei den erforderlichen sechs Metern pro Sekunde liegt.“ Dass man nicht auf Biegen und Brechen jede geplante Windkraftanlage durchsetze, zeige der Fall Aichwald (Kreis Esslingen). Tatsächlich hat der Konzern sein Projekt dort infolge von Windmessungen aufgegeben.

Ein stolzer Segler in Not

Vogel
Der Rotmilan ist mit etwa 65 Zentimeter Körpergröße und einer Flügelspannweite von bis zu 1,7 Meter größer als der Mäusebussard. Er ist überwiegend rostrot mit schwarzen und weiß-beigen Feldern auf der Unterseite und grauem Kopf. Er ist leicht an seinem großen gegabelten Schwanz zu erkennen. Daher kommt auch sein volkstümlicher Name Gabelweihe.

Verbreitung
Rotmilane sind typische Bewohner der offenen Landschaft, benötigen aber ein Mosaik aus unterschiedlich bewirtschafteten Flächen und bewaldeten Gebieten. Über Äckern, Wiesen und Weiden suchen sie nach Beutetieren. Auch über kleinen Siedlungen und Dörfern, sogar über Autobahnen kann man sie auf der Suche nach Fressbarem segeln sehen, denn auch Aas und Abfälle verschmähen sie nicht. Vom Weltbestand (etwa 25 000 Paare) lebt mehr als die Hälfte in Deutschland, der Bestand in Baden-Württemberg ist groß.

Gefährdung
Durch die Intensivierung der Landwirtschaft hat der Rotmilan Probleme, ausreichend Nachwuchs groß zu ziehen, weil immer mehr Grünland und Brachen für seine Nahrungssuche wegfallen. Eine weitere Bedrohung ist die Windenergie – keine Vogelart wird häufiger an Windenergieanlagen getötet als der Rotmilan, denn dieser sucht auch um die Anlagen herum nach Futter. Wenn er durch die Luft segelt, hält er den Blick nach unten gerichtet, um Beutetiere zu erspähen, und wird deshalb häufig von den Rotoren erschlagen. Der Rotmilan ist zu einem Symbol für den Konflikt zwischen erneuerbaren Energien und Artenschutz geworden und regelmäßig Gegenstand artenschutzrechtlicher Gutachten und Gerichtsverfahren.