29 Windräder gibt es in der Region Stuttgart – es könnten gut 200 mehr werden Die Foto: Max Kovalenko

Der Windkraftplan, den die Regionalversammlung jetzt verabschiedet hat, ist die erste Etappe auf dem langen Weg zur Energiewende – und ein Zeugnis dafür, dass Demokratie funktioniert. Das schreibt Redakteur Alexander Ikrat in seinm Kommentar.

Stuttgart - Vier Jahre hat es gedauert, 41 Gebiete mit rund 2500 Hektar Fläche in der Region Stuttgart für Windkraft zu reservieren. Auf einer Fläche von rund 5000 Fußballplätzen kann künftig nichts anderes gemacht werden, als Wind zu ernten. Die Regionalversammlung hat alle möglichen Aspekte abgewogen. Sie berücksichtigt Mindestabstände zu Siedlungen, zu Naturschutzgebieten, bündelt Anlagen an Standorten, damit nicht an jeder Ecke eines steht – und zwar dort, wo genug Wind zu erwarten ist. Sie sorgt dafür, dass Kommunen nicht auf allen Seiten von Windparks umzingelt werden, berücksichtigt Landschafts- und Artenschutz, wo sie kann, und hält markante Punkte wie die Grabkapelle oder die Y-Burg im Remstal frei. Gute Arbeit.

 Nun ist es aber nicht so, dass alle Themen erledigt sind, die vor dem Bau eines Windrads liegen, und Investoren an allen Standorten loslegen können. Im konkreten Projekt müssen sie erst nachweisen, dass der Abstand zu Wohnhäusern wirklich reicht, was Lärm oder Schatten anbelangt. Sie müssen in Gutachten feststellen, dass tatsächlich kein Nest eines Rotmilans oder eines anderen geschützten Vogels im Wege liegt. Landratsämter müssen Landschaftsschutzgebiete ändern, Flugsicherung und Wetterdienst ihren Segen geben. Und falls der Investor einen Kredit für sein Millionenprojekt haben will, muss er durch konkrete Messungen auch noch nachweisen, dass der Standort wirklich rentabel ist. Die Demokratie in Deutschland ist ausgeprägt und lässt zumindest in Sachen Windkraft keine Frage offen.

Die Wende kommt langsam   

Zur Demokratie gehört auch das Große im Kleinen. Bisher ist keine repräsentative Umfrage bekannt, in der die Bürger mehrheitlich für die Rückkehr zur Atomkraft und die Umkehr auf dem Weg zur Energiewende plädiert hätten. Nun kommt die Wende langsam, aber sicher in der Region Stuttgart mit ihren vielen Arbeitsplätzen auch in energieintensiven Industriezweigen an. Das ist gut, weil der Weg von der Nordsee weit ist und unterwegs viel Strom verloren geht. Außerdem kann nur der guten Gewissens große Stromtrassen von Nord nach Süd fordern, der selbst einen Teil der Infrastruktur trägt, die Bürger durchaus belasten kann.

Es ist verständlich, dass Menschen Veränderungen vor ihrer Haustür mit Skepsis gegenüberstehen. Aber irgendwo muss die Veränderung schließlich vonstattengehen, sonst gibt es sie nicht. Der Regionalverband hat die Öffentlichkeit optimal beteiligt, seine Pläne mehrfach offengelegt, viele Veranstaltungen gemacht und Tausende Einwände bearbeitet. Die Entscheidung der Regionalversammlung ist demokratisch, und das ist zu akzeptieren. Schlecht war es dagegen, mehrere kleine Standorte in nicht ganz so windreichen Gebieten zu streichen, wo Bürgergenossenschaften schon fleißig an Windrädern planten. Dort ist die Lust auf die Energiewende eigentlich so groß, wie sie sein muss, wenn man von gefährlicher Atomkraft und schmutziger Kohlekraft unabhängig werden will.