Naturschutz und Windenergie werden häufig gegeneinander ausgespielt Foto: dpa

Wo der Rotmilan brütet, sind Windräder tabu. Aber ist das ein Grund, die Greif- vögel umzubringen? Windkraftgegner vermuten dies. Beweise fehlen jedoch. Sicher ist nur: Im Streit um die Energie- wende werden die Sitten rauer.

Wo der Rotmilan brütet, sind Windräder tabu. Aber ist das ein Grund, die Greif- vögel umzubringen? Windkraftgegner vermuten dies. Beweise fehlen jedoch. Sicher ist nur: Im Streit um die Energie- wende werden die Sitten rauer.

Schwäbisch Hall - Das Auffinden vergifteter Greifvögel an mehreren Orten im Land beunruhigt nicht nur Naturschützer, sondern verschärft auch den Streit zwischen Befürwortern und Gegnern von Windrädern. „Der Verdacht, wonach Windkraftfreunde die geschützten Vögel umbringen, um so Hindernisse für neue Kraftwerke aus dem Weg zu räumen, wird in letzter Zeit häufig erhoben“, sagt André Baumann, Landeschef des Nabu.

In einschlägigen Internetforen machen vor allem die jüngsten Fälle in einem Waldgebiet bei Schwäbisch Hall die Runde, wo mehrere Bürgerinitiativen gegen den Bau neuer Windräder ankämpfen. Dort wurden im Frühjahr vier tote Rotmilane gefunden, von denen drei laut amtlichem Gutachten tatsächlich vergiftet wurden: mit E 605, einem Pflanzenschutzmittel, das in der EU schon seit vielen Jahren verboten ist. Das vierte Tier starb laut Naturschutzministerium an einer Darmkrankheit.

„Systematisch“ würden seltene Greifvögel umgebracht, wo sie großen Windparks im Wege stünden, folgern manche Windkraftkritiker nun daraus. Dass erst dieser Tage auch bei Pfalzgrafenweiler im Kreis Freudenstadt ein toter Wanderfalke entdeckt wurde, der laut Polizei an dem Schlafmittel Chloralose verendete, macht die Sache noch brisanter. Sie hat mittlerweile auch den Landtag erreicht: Örtliche Abgeordnete erkundigen sich besorgt über mögliche Zusammenhänge mit Windkraftplanungen.

Doch solche erkennen weder Behörden noch professionelle Naturschützer. „Dass Greifvögel vergiftet werden, kommt immer wieder vor, aber da stecken oft Taubenzüchter oder Geflügelhalter dahinter“, sagt der Chef des Vogelschutzzentrums Mössingen, Daniel Schmidt-Rothmund. Er wolle nicht spekulieren, aber sollten tatsächlich Windkraftinteressen eine Rolle spielen, wäre dies „ziemlich derb“, meint der Biologe: E 605, von dem es offensichtlich noch viele Restbestände gibt, ist ein Kontaktgift, das auch Menschen akut gefährdet.

Eine solche Aktion wäre nicht nur derb, sondern auch dumm, meint Bodo Krauß vom Stuttgarter Ministerium für ländlichen Raum. Denn wenn ein Kraftwerk in einer Region entstehen solle, in der die Population von Milanen ohnehin geschwächt ist, werde die naturschutzrechtliche Messlatte noch höher gelegt als sonst. Krauß: „Bei sehr seltenen Arten kann es dann im Extremfall passieren, dass die Anlage nicht genehmigt werden kann.“ Außerdem senkten solche Vorfälle die Akzeptanz in der Bevölkerung. Krauß glaubt denn auch nicht, dass Windkraftinteressen hinter den Giftanschlägen stecken – die es unbestritten gibt. Etwa fünf bis zehn Fälle registrieren die Behörden im Jahr, auch da, wo gar keine Windräder geplant sind. Wobei die Dunkelziffer sehr hoch ist, denn verendete Vögel werden schnell von anderen Tieren gefressen. Die Täter lassen sich so gut wie nie ermitteln. Der Nabu versucht es trotzdem. 1000 Euro Belohnung winken jedem, der ihm Hinweise zur Aufklärung eines Giftanschlags gegen Greifvögel liefert.

In Hall waren möglicherweise gar keine Rotmilane, sondern Krähen das eigentliche Ziel des Anschlags. Da Milane auch Aas fressen, könnten sie Zufallsopfer gewesen sein, glaubt Nabu-Chef Baumann. Ausschließen will er einen Zusammenhang mit dem Windkraftstreit allerdings auch nicht: „Man kann in alle Richtungen spekulieren.“

Sicher ist nur, dass im Südwesten mit harten Bandagen um die Energiewende gestritten wird. Dass sich die Bevölkerung in Gegner und Befürworter spaltet, erlebt der Ornithologe Schmidt-Rothmund häufig: „Und plötzlich interessieren sich alle für Greifvögel,dabei war das früher gar kein Thema.“